Schloss der Engel: Roman (German Edition)
vermutete, bat er mich, hereinzukommen.
Er forderte mich auf, das Armband abzulegen, damit er es zur genaueren Betrachtung mitnehmen konnte. Ich weigerte mich – schließlich war es der einzige Beweis, den ich aus der Engelswelt besaß. Auch wenn es nicht immer leicht war, es zu tragen.
»Dann werde ich jemanden holen, der sich damit auskennt. Wenn du so lange warten könntest.«
Er führte mich in eines der Zimmer und ließ mich allein. Schon wieder war ich gezwungen zu warten. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich in dem düsteren Raum umzusehen. Das Gebäude war in den Felsen gehauen und eine Wand des Zimmersbestand aus nacktem Gestein. Neugierig trat ich näher, um sie zu betrachten. Sie hatte auffällige Verzierungen, die ich in einer Einsiedelei nicht erwartet hatte. Ich zuckte zusammen, als ein Räuspern in meinem Rücken ertönte, und zog schnell meine Hand zurück.
»Dich kann man wohl nirgends allein lassen, ohne dass du auf dumme Gedanken kommst.«
Ich fuhr herum und fühlte, wie mein Puls in die Höhe schoss. Christopher stand an der Tür und betrachtete mich mit einem amüsierten Funkeln. Nichts hielt mich mehr zurück. Mit fliegenden Schritten stürzte ich in seine Arme. Er hatte Wort gehalten! Er war zurückgekommen!
»Es hat lange gedauert, bis du hierhergefunden hast.«
» Du? Hast du das Armband manipuliert?«
»Ich wagte nicht, mich in deine Träume zu schleichen. Da erschien mir die Idee mit Coelestins Medaillon die beste Lösung. Ich hoffe, es hat dir nicht allzu sehr zugesetzt.«
Vorsichtig löste Christopher meine feste Umklammerung und schob mich ein Stück von sich. Während er mich betrachtete, trübte ein Schatten sein Gesicht. Sanft fuhr er mit seinen Fingerspitzen die dunklen Spuren unter meinen Augen nach.
»Was ist passiert, während ich nicht bei dir war?«
»Nichts.«
»Lynn! Versuche nicht, mich zu belügen! Ich sehe, dass du gelitten hast. Sag mir die Wahrheit! Hat dir jemand wehgetan?«
Es fiel ihm ebenso schwer, die Frage zu stellen, wie mir, zu antworten.
»Ich ... du ... ich wusste nicht, wann ich dich wiedersehen würde«, stammelte ich.
Christophers Züge verhärteten sich. Schützend zog er mich an sich. »Es waren doch nur ein paar Tage.«
»Eine Ewigkeit«, flüsterte ich und vergrub meinen Kopf an seiner Schulter.
»Du musst mir versprechen, geduldiger zu werden.«
Tränen sammelten sich in meinen Augen – tapfer kämpfte ich sie zurück. Beabsichtigte er, wieder fortzugehen?
»Nein, ich werde bei dir bleiben«, erriet er meine Gedanken.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, bevor eine bange Vorahnung meine Freude trübte. Es musste einen Grund geben, warum er mich in die Einsiedelei gelockt und nicht einfach an meiner Tür geklingelt hatte.
»Werde nur ich dich sehen können? In meinen Träumen?«
Sein warmes Lachen erfüllte den Raum. »Nein. Solange du niemandem erzählst, was ich bin, werde ich in meiner menschlichen Gestalt für jeden sichtbar sein. Es wird also kein Weg daran vorbeiführen, mich deinen Freunden und deinen Eltern vorzustellen. Ich hoffe, du schaffst das?«, fügte er fragend hinzu, als er meine skeptische Miene entdeckte. »Oder ist es dir lieber, wenn ich dich unsichtbar begleite?« Seine Stimme klang unbewegt, doch ich hörte die Unsicherheit in ihr.
»Nein! Ich ziehe es vor, dich sehen und berühren zu dürfen.« Aber ich befürchtete, dass es auch andere geben würde, die das wollten.
Christopher spürte meine Sorge und zog mich dichter an sich.
»Ich bin nur deinetwegen hier. Außer dir kann nichts und niemand jemals etwas daran ändern. Ich bin ein Engel und treffe meine Entscheidungen für die Ewigkeit.«
Kapitel 29
Coelestins Geschenk
C hristopher bestand darauf, mich nach Hause zu bringen.
Meine Mutter schnappte nach Luft, als sie ihn an meiner Seite erblickte. Ich konnte das gut nachvollziehen, schließlich war auch ich noch niemandem zuvor begegnet, der einem Vergleich mit Christopher standgehalten hätte.
»Schön, dich kennenzulernen, Christopher. Linde hat gar nichts von dir erzählt.« Meine Mutter brach ab, da sie bemerkte, dass sie peinliches Terrain betrat.
»Ich habe Linde darum gebeten, nichts von meinem Besuch zu sagen, da es noch nicht sicher war, ob und wann ich vorbeikommen würde.« Christopher betonte meinen Namen mit einem süffisanten Zug um die Mundwinkel, was ihm einen bösen Blick von mir einbrachte.
»Kennt ihr euch schon länger?«, bohrte meine Mutter weiter. Im Klartext hieß das: Seit
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