Schloss der Engel: Roman (German Edition)
weggehen würde, doch dann entspannte sie sich, trank einen Schluck Orangensaft und lächelte – ihr Freundschaftslächeln.
»Nein, Aron ist immer so. Du hast wirklich Glück, ihn als Tutor zu haben. Er ist nicht nur ein toller Lehrer, sondern kümmert sich auch außerhalb des Unterrichts um seine Schüler. Du wirst viel Spaß mit ihm haben.«
Falls der Spaß nicht auf meine Kosten ging!
»Na, dann kann ja nichts schiefgehen, solange ich niemanden mit meinem Liebesbogen treffe«, entgegnete ich sarkastisch.
Susans helle Brauen hoben sich kaum merklich. Wusste auch sie inzwischen über meinen unangebrachten Klammeranfall Bescheid? Hatte sie deshalb nachgefragt, ob Christopher noch mein Tutor war? Von mir aus konnte sie ihn gerne haben!
Mein Blick wanderte zu Christopher hinüber, zu seinem breiten Rücken und seinen goldschimmernden Haaren, die das Licht zurückwarfen, wenn er sich bewegte. Fast schon glaubte ich, seinen Geruch wahrnehmen zu können, obwohl er am anderen Ende der Kantine saß. Doch nicht nur meine Sinne spielten verrückt, sondern auch mein Verstand. Ich war hin- und hergerissen – Anziehung und Abneigung kämpften gegeneinander.
Ich musste raus hier. Sofort! Hoffentlich besserte sich das mit der Zeit!
»Sorry, ich muss kurz ins Sekretariat, meinen Stundenplan abholen.« Bevor Susan etwas erwidern konnte, war ich aufgesprungen, hatte meine Sachen geschnappt und steuerte auf den Ausgang zu.
Zielstrebig lief ich zum Sekretariat. Eine zartgliedrige Frau mit langen, rotbraunen Haaren, die sie zu einem straffen Knoten geschlungen hatte, saß hinter dem riesigen Schreibtisch und schenkte mir ein höfliches Lächeln.
»Hallo Lynn«, begrüßte sie mich. »Wie kann ich dir helfen?« Offensichtlich waren meine Unterlagen angekommen. Ein Wunder, dass sie mich auf dem grässlichen Passbild überhaupt erkannt hatte.
»Ich wollte meinen Lernplan abholen.«
»Lernplan?« Die Frau hinter dem Schreibtisch warf mir einen irritierten Blick zu. »Hat Christopher dir deinen Stundenplan nicht gebracht?«
»Nein«, – natürlich nicht!
»Nicht? Das sieht ihm gar nicht ähnlich. Aber vielleicht hat er ihn Aron gegeben. Am besten fragst du Christopher danach.«
Ich brachte ein »Danke« hervor, dem man meine schlechte Laune nicht anmerken sollte. Neckische Spielchen im Feriencamp. Ha! Darauf konnte ich verzichten. Zum Glück hatte ich mit Christopher nichts mehr zu tun!
Kapitel 4
Feuernacht
Ich hielt den Atem an. Sommergewitter! Nicht schon wieder!
In Gedanken damit beschäftigt, wie ich an meinen Lernplan kommen sollte, war ich förmlich in Christopher hineingerannt. Er fing mich gerade noch rechtzeitig auf, bevor ich mit ihm zusammenprallte.
Als ich versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien, verstärkte er den Druck seiner Hände.
»Lynn, was ist passiert?« In seiner Stimme schwang Besorgnis – er musste meine Verärgerung bemerkt haben. Gut so!
Ich wandte mich von ihm ab und zischte: »Nichts, was dich jetzt noch etwas anzugehen hätte.« Ich wagte nicht, noch einmal Luft zu holen – langsam wurde mir schwummrig.
»Du solltest dein Gegenüber anschauen, wenn du ihm nicht die Wahrheit erzählen möchtest. Dann wirkt es glaubhafter.«
»Ich lüge nicht«, log ich und blickte ihm dabei fest in die Augen. Das Schwindelgefühl nahm zu.
Seine herrlich grünen Smaragdaugen funkelten angriffslustig hinter seinen zusammengekniffenen Lidern. Er glaubte mir nicht. Eisern hielt er mich fest, bereit, mich zu provozieren. Doch ich wusste, ich würde verlieren, erneut in Tränen ausbrechen, und das wollte ich auf keinen Fall. Er hatte mich weitergereicht – wie einen lästig kratzenden Pullover. Warum kümmerte es ihn da noch, was mit mir los war?
Ein besorgniserregendes Flimmern wirbelte durch mein Blickfeld. Obwohl ich meinen Atemreflex unterdrückte, bemerkte ichseinen hypnotisierenden Duft. Ich musste die Notbremse ziehen, wenn ich nicht in seinen Armen ohnmächtig werden wollte.
»Lass mich los«, fauchte ich. »Du tust mir weh!«
Mit aller Kraft stemmte ich mich aus seiner Umarmung. Er gab mich unvermittelt frei, und ich taumelte beinahe gegen die rückwärtige Wand. Ohne Ziel stürmte ich zum Ausgang. Erst nachdem ich Susan meinen Namen rufen hörte, schnappte ich nach Luft – reiner, klarer See-Luft, ohne prickelnden Beigeschmack!
»Lynn, wo willst du hin? Zum Mentaltraining geht’s in die andere Richtung.«
» Mentaltraining? « Ich zuckte zusammen. Amüsierte sich jetzt auch Susan auf
Weitere Kostenlose Bücher