Schloss der Engel: Roman (German Edition)
Tutor. Außerdem würdest du sonst kein Abendessen bekommen.«
»Aber ich ...«
Aron schnitt mir das Wort ab. »Pünktlich, drei Stunden nach Sonnenuntergang. Und zieh dir was Warmes an, wir werden ins Freie gehen.«
Die Menge neben mir drängte lärmend zum Kuchenbuffet. Die Schulversammlung war zu Ende. Erleichtert atmete ich auf und verkrümelte mich mit einem Stück Kuchen in meinem Zimmer. Wenigstens wusste ich jetzt, bei wem ich meinen Lernplan suchen musste.
Pünktlich, wie angekündigt, klopfte Aron an meine Zimmertür. Ich bemühte mich erst gar nicht, meinen Missmut zu verbergen.
»Entspann dich. Niemand will dir den Kopf abreißen. Im Gegenteil, ich denke, der heutige Abend wird dir gefallen.«
Aron lachte, als er meinen zweifelnden Gesichtsausdruck bemerkte, und schleppte mich einfach hinter sich her. Wir verließen das Schloss und steuerten auf den nahe gelegenen Wald zu.
»Wohin gehen wir?« Langsam wurde ich neugierig.
»Bis vor einer Minute sah es nicht so aus, als ob es dich interessieren würde, wo du den heutigen Abend verbringst. Und jetzt bin ich nicht mehr bereit, es dir zu verraten. Lass dich einfach überraschen!«
Zur Strafe funkelte ich ihn böse an, doch Aron grinste nur amüsiert zurück.
Der Anblick, der sich mir kurz hinter dem Waldweg zum Schloss bot, ließ mich fasziniert stehenbleiben. »Wow!« Mehr brachte ich nicht heraus.
Sieben mannshohe Lagerfeuer warfen ihren flackernden Lichtschimmer auf die halbrunde Lichtung und erhellten den See. Übermütiges Gelächter erfüllte die Wiese. Die ganze Schule war versammelt. Viele saßen in Gruppen beieinander und hielten aufgespießte Würstchen oder Stockbrot ins Feuer. Die meisten jedoch tanzten im Schein der orangegelben Flammen, deren Funken im schwarzen Nachthimmel verglühten.
»Einmal im Monat feiern wir mit einer Feuernacht das Fest des Lichts. Du solltest bei den Schulversammlungen ein wenig aufpassen, dann wüsstest du besser Bescheid, was hier läuft.« In seinen Worten schwang ein schelmischer Unterton mit, so dass ich mich nicht getadelt fühlte. »Und nun möchte ich dir ein paar deiner Mitschüler vorstellen.«
Aron lenkte mich zu einem der Feuer am Ufer des Sees und stellte mich reihum der Gruppe vor, die er als Tutor leitete.
»Das hier sind Paul, Andy, Sebastian, Peter und Thomas«, begann er mit den Jungs. »Charlotte, Leonie und Lara. Claudia, Lukas und Barbara kennst du schon vom Chor oder dem Bogentraining.«
Ich war überrascht, wie freundlich die Gruppe mich aufnahm, und fühlte mich erstaunlich schnell wohl unter ihnen. Aron wusste jedenfalls, wie er seine Schüler bei Laune hielt. Die Marshmallows hatte er beigesteuert.
Die Erinnerung an den unliebsamen Zusammenstoß mit Christopher hatte ich beinahe schon verdrängt, als der kühle Nachtwind seinen Geruch zu mir herüberwehte. Ich wickelte mich in meine dicke schwarze Daunenjacke, in der Hoffnung, das Frösteln zu vertreiben, und konzentrierte mich auf die lebhafte Unterhaltung.
»Wisst ihr noch?«, begann der hünenhafte Sebastian und schwang sich auf einen der Baumstümpfe, die als Sitzgelegenheiten dienten. »Unser Lockenköpfchen bei ihrem ersten Versuch? «
Die Gruppe brach in schallendes Gelächter aus – alle außer mir, Leonie und Paul, den ich wiedererkannte als denjenigen, der mir den Weg zum Chorraum beschrieben hatte.
»Nein, Sebastian!« Leonie verdrehte die Augen. Ich tippte aufgrund ihrer gekringelten Haare, dass sie das Lockenköpfchen war. »Wenn ich könnte, würde ich dich eigenhändig umbringen. Bitte. Nicht. Noch. Einmal!«
Doch ihr Flehen war umsonst. Die anderen waren sich einig, da ich die Geschichte ja noch nicht kannte. Genüsslich strich Sebastian seinen hellbraunen Haarschopf nach hinten und begann zu erzählen.
»Leonie hatte sich sorgfältig – wie es ihre Art ist – auf ihren ersten Auftritt vorbereitet. An alles hatte sie gedacht. Hundert Mal – mindestens – hatte sie Aron befragt. Die Löcher in seinem Bauch sind bestimmt heute noch sichtbar.«
Ein paar Mädchen begannen zu kichern.
»Ich glaube, am Ende kannte sie die Theorie besser als ich«, bestätigte Aron.
Auch ich musste schmunzeln.
»Emsig, wie eine Bergziege, kletterte sie auf den Baum. Sie wartete nicht mal auf Aron, der sie nach oben begleiten wollte«, fuhr Sebastian fort.
Bei dem Wort Bergziege fiel auch der Rest in das Gekicher mit ein. Ich warf einen verstohlenen Blick zu Leonie hinüber, die mit ihrem unschuldigen Puppengesicht und
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