Schloss der Engel: Roman (German Edition)
aus dem Wasser misslang. Ein ängstliches Raunen lief durch die Menge, als das Leuchten ihrer Flügel erlosch. Unaufhaltsam sogen sie sich voll Wasser und zogen das Mädchen hinab in die Tiefe. Plötzlich herrschte Totenstille.
Mit einem gewaltigen Sprung tauchte Christopher in den See. Ich starrte entsetzt auf die Stelle, an der er verschwunden war. Aron und einer der Schiedsengel, die das Spiel überwachten, folgten seinem Beispiel.
Niemand regte sich.
Der Schiedsengel tauchte wieder auf. Ein paar Minuten danach Aron. Wie lange konnte ein Engel unter Wasser bleiben? Es war schon viel zu viel Zeit verstrichen. Ich fühlte, wie mein Blut ins Stocken geriet, wie die Furcht um das Mädchen und um Christopher mich lähmte.
Ich schloss die Augen. Die Stille war erdrückend, selbst der Wind hatte sich gelegt.
Schrille Freudenschreie rissen mich aus meinen Gedanken. Christopher hob das erschöpfte Mädchen aus dem Wasser. Sie lebten! Gemeinsam mit Aron hievte er den schweren Engelskörper an Land.
Die Reihen um mich lichteten sich. Mit angehaltenem Atem verfolgte ich das einschüchternde Schauspiel. Einer nach dem anderen verwandelte sich. Alle wurden zu Engeln, breiteten ihre Schwingen aus und erhoben sich in die Luft. Das Rauschen der vielen Engelsflügel klang unheilbringend – allzu sehr erinnerte es mich an die Krähen, die mich vor nicht allzu langer Zeit im Wald attackiert hatten, nur dass der Flügelschlag der Engel um ein Vielfaches beängstigender war. Sämtliche Härchen auf meinen Armen und im Nacken richteten sich auf.Jetzt spürte ich die Angst, die Christopher von mir erwartet hatte.
Ich blickte zu Markus. Wie ich hatte er keine Flügel. Unbeeindruckt zuckte er die Schultern und sprang ins Wasser, und ich blieb allein zurück – vor Kälte und Anspannung zitternd. Auch wenn ich eine gute Schwimmerin war, bestimmt wäre ich vor Angst auf halber Strecke ertrunken.
Schließlich landete Aron auf der Plattform. Er beobachtete mich aufmerksam, half mir ins Boot und ruderte mich zurück an Land.
»Ich bringe dich am besten ins Schloss.«
Um ihm zu zeigen, dass ich mich nicht so leicht einschüchtern ließ, wollte ich widersprechen, doch Aron kam mir zuvor.
»Chris geht es gut. Er kümmert sich um Estell, und ich denke, du solltest dich erst ein wenig beruhigen, ehe er dich ...«
Aron verstummte. Christopher stand plötzlich vor uns. Entsetzen spiegelte sich in seinen Augen, als er mich sah.
Ich versuchte, ein Lächeln aufzusetzen, doch noch bevor mir das gelang, hatte er seine Arme um meine Taille gelegt und mich an sich gezogen. Seine Wärme vertrieb die Kälte in mir und mit ihr verschwand auch die Angst. Nur Arons Blick, mit dem er Christopher musterte, verunsicherte mich.
Hatte er ihm nicht zugetraut, dass er sich verlieben würde – in mich verlieben würde?! Oder missgönnte Aron mir Christophers Zuneigung, da er davon ausging, dass ich ihn enttäuschen würde? Aber warum? Meine Gefühle für Christopher waren echt, und ich war alles andere als untreu! Vielleicht würde sich Arons Misstrauen legen, wenn er begriff, dass ich keine Spielchen spielte.
Christopher begleitete mich auf mein Zimmer und drängte mich, auszuruhen.
»Du bist kreidebleich und hast kaum geschlafen. Ich werde Aron bitten, deine Stunde am Nachmittag auf später zu verschieben.«
Auf keinen Fall! Aron sollte nicht glauben, dass Engel mich überforderten. »Nein, das brauchst du nicht. Mir geht es gut. Ich bin nur ein bisschen durcheinander wegen des Mädchens.«
Christopher schüttelte den Kopf, schob mich Richtung Bett, schlug die Patchworkdecke zurück, rückte das Kissen für mich zurecht und bugsierte mich zwischen die Laken.
»Du bist störrisch wie ein Maulesel. Estell geht es gut. Sie ruht sich aus, und du solltest das auch tun.« Mit einem sanften, aber bestimmten Kuss auf die Stirn drückte er mich auf mein Kissen und zog die Bettdecke hoch bis unter mein Kinn.
»Schlaf schön. Ich werde dich rechtzeitig wecken.«
Kaum hatte ich die Augenlider geschlossen, überfiel mich eine bleierne Müdigkeit. Und mein Versuch, dem Schlaf zu widerstehen, um Christopher zu zeigen, wie schlecht er mich einschätzen konnte, scheiterte kläglich.
Christophers Duft übertrumpfte den Wohlgeruch des Essens, das er mitgebracht hatte. Meine Mundwinkel zuckten, als er mir das Tablett mit Steak, Pommes und Salat ans Bett stellte – er bemutterte mich!
»Es scheint dich zu amüsieren, dass ich mich um dich
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