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Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schloss der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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kümmere.«
    Christophers Ton war streng, darum bemühte ich mich, meine Lippen zu einer geraden Linie zusammenzupressen – was mir gänzlich misslang.
    »Es ist nur ... Nun ja, meine Mutter bringt mir auch immer das Essen ans Bett, wenn ich krank bin.«
    Die Erinnerung an zu Hause entzauberte den Moment. Noch bevor sie sich ausbreiten konnte, spürte ich Christophers tröstende Umarmung.
    »Kann ich ... werde ich sie je wiedersehen?« Der Gedanke, meine Eltern niemals wieder in die Arme schließen zu können, riss ein schmerzendes Loch in meine euphorischen Gefühle.
    »In ein paar Wochen darfst du sie besuchen.«
    »Warum nicht früher?«
    Ein Hoffnungsfunke erwachte in mir, doch Christopher schüttelte bestimmt den Kopf. Seine bekümmerte Miene verriet mir den Grund: Erst wenn sich ihre Trauer etwas gelegt hatte, durfte ich zu ihnen. Eine Träne lief über meine Wange. Dann noch eine. Christopher fing alle auf.
    »Sie wären nicht traurig, wenn sie wüssten, dass du hier bist.«
    Eine Stunde vor Sonnenuntergang lieferte Christopher mich bei Aron ab, der an einem mächtigen, weit über den See ragenden Baum lehnte und sich mit Markus unterhielt. Aron unterzog mich einem prüfenden Blick, der reichte, um meinen Kampfgeist anzustacheln.
    »Schön. Da ihr nun in der Theorie beide auf dem gleichen Stand seid, werden wir zur Praxis übergehen. Kannst du ohne Hilfe auf den Baum klettern, oder soll ich dich nach oben bringen?« Arons Frage galt mir.
    Ich blitzte ihn empört an – anscheinend hatte er an Markus’ Fähigkeiten keine Bedenken.
    »Selbstverständlich kann ich das!«
    Ohne darüber nachzudenken, warum ich mein Können ausgerechnet auf einem Baum unter Beweis stellen sollte, klammerte ich mich an einen der tiefhängenden Äste und schwang mich kurzerhand hinauf. Dank seiner Krümmung war der Baum einfach zu erklettern – fast wie mein Olivenbaum, auf dem mein Vater mir eine Aussichtsplattform gebaut hatte. Erst nachdem Aron hinter Markus oben ankam, erkannte ich, dass er mich absichtlich provoziert hatte.
    »Ich sehe schon, dein alter Kampfgeist ist zurückgekehrt. Nach dem Spiel hatte ich doch tatsächlich ein wenig Zweifel an deiner Courage.« Ich blitzte ihn böse an, doch Aron blieb unbeeindruckt. »Wer von euch beiden will beginnen?«
    Markus meldete sich mit einer Begeisterung, die ich ihm nicht zugetraut hätte.
    »Womit?« Ein ungutes Gefühl beschlich mich.
    »Mit deinem ersten Versuch!«
    »Mit. Was?«
    »Mit deinem ersten Sprung – um fliegen zu lernen! Was sonst?!«
    In Arons Grinsen lag eine unverschämte Arroganz, die ganz und gar nicht zu seinem bisherigen Verhalten passte. Wollte er mich für blöd verkaufen? Oder mir demonstrieren, was mich von einem Engel unterschied?
    Ich spähte den Baum hinunter – viel zu hoch, um einen Sprung zu riskieren. Mein Kopf begann zu dröhnen. Zwanzig, vielleicht dreißig Meter unter mir glitzerte der See in der tief stehenden Sonne. Augenblicklich sackte mir das Blut in die Beine, und ich musste mich festklammern, um nicht vom Baum zu fallen.
    Arons Miene veränderte sich, als er meine Reaktion bemerkte. »Du schaffst das schon. Alle lernen es – die meisten auf Anhieb«, munterte er mich auf, doch ich hörte nur die Zweideutigkeit in seinen Worten.
    Markus drängte nach vorne, und ich ließ ihn bereitwillig passieren.
    »Denk daran, du musst es glauben, dann werden sich deine Flügel ganz von selbst entfalten.«
    Markus nickte. Seine Wangen glühten vor Aufregung, während er geschickt auf einen kahlen Ast kletterte.
    Ich presste die Hände vor den Mund, um nicht laut aufzukreischen, als er sprang. Viel zu schnell näherte er sich der Wasseroberfläche. Dann – völlig aus dem Nichts – wuchsen ihm Flügel. Durch seine Kleidung bohrten sich weiß schimmernde Engelsflügel und breiteten sich anmutig aus.
    Markus’ Freudenjuchzen hallte zu uns herauf. Aron zollte ihmanerkennenden Beifall. Ich jedoch presste mich mit schlotternden Knien haltsuchend gegen den Baum. Das war nichts für mich. Ich war hier falsch! Merkte das denn keiner?
    Arons Hand legte sich beruhigend auf meine Schulter. »Ich weiß, dass du es kannst!«
    Ich blieb, wo ich war. Die Szene am Morgen, als die schweren Flügel den Engel nach unten zogen, drängte sich in mein Bewusstsein. Aron schien meine Gedanken zu erraten.
    »Ein Unfall, wie heute beim Spiel, ist sehr selten. Außerdem werde ich dir sofort hinterherspringen, falls du mit deinen Flügeln unter Wasser gerätst – was nicht

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