Schloss der Engel: Roman (German Edition)
noch einfallen, und wo? Er ist in der Kapelle am See.«
Außer Atem erreichte ich den Abzweig zur Kapelle. Mein Herz hämmerte mit einer Wildheit gegen meine Rippen, dass es schmerzte. Je näher ich meinem Ziel kam, umso unsicherer und langsamer wurde ich. Würde Christopher mir verzeihen? Konnteer das? Aron hatte mich gewarnt, dass ich stark sein müsste, doch schon beim ersten Zweifel hatte ich versagt – wieder einmal!
Mein Puls raste, als ich vor der schweren Eisentür der Kapelle stand. Das bange Gefühl in meinem Brustkorb drohte mich zu erdrücken.
Christopher drehte sich zu mir um, als ich eintrat. Seine Smaragdaugen schimmerten unergründlich. Ich blieb stehen, obwohl es an mir war, den ersten Schritt zu tun. Aber ich wusste immer noch nicht, wie ich ihn überzeugen sollte, mir meinen Fehler zu verzeihen. Doch das brauchte ich auch nicht.
Noch bevor ich etwas sagen konnte, nahm er meine Hände, betrachtete die Handrücken und küsste vorsichtig meine aufgeschürften Fingerknöchel. Ich hielt still, innerlich vor Anspannung zitternd, und genoss seine Berührung.
»Tu das nie wieder!«, flüsterte er in mein Ohr, als er mich mit einer Bestimmtheit an sich zog, die keine Zweifel an seinen Gefühlen ließ. Schließlich umfasste er mein Gesicht und hielt es fest. »Versprich, zu mir zu kommen, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, und zieh dich nicht in dich selbst zurück. Verschließ dich nicht vor mir – nie wieder!« In seinen Augen blitzte das steinerne Jadegrün auf. »Wenn du wüsstest ...« Christopher ließ den Satz unvollendet und zog mich wieder an sich.
Ich war froh, dass er so nicht sehen konnte, wie sehr die Härte in seinem Blick mich erschreckt hatte – es würde seinen Glauben bestärken, dass er tatsächlich ein Angst und Schrecken verbreitender Engel war.
Trotz Christophers Nähe zwängte sich die zunehmende Kälte in der Kapelle zwischen uns. Wärmesuchend drückte ich mich an ihn und sonnte mich in seinem unvergleichbaren Duft, der mich wie immer verzauberte.
»Du zitterst!« Christopher schob mich ein klein wenig von sich, um mich besser betrachten zu können. Sorge lag auf seinen Zügen. »Geht es dir gut?«
»Mir könnte es nicht besser gehen«, erwiderte ich und wollte meinen Kopf wieder an seine Schulter legen, doch Christopher wich zurück.
»Aron hat mir erzählt, dass du mich und die Wächterin an der Totengruft beobachtet hast.«
»Ja. Und?« Die Unsicherheit, die ich beim Betreten der Kapelle empfunden hatte, stellte sich wieder ein.
»Warum bist du gekommen, wenn du solche Angst vor mir hast? Und versuche nicht, deine Furcht zu leugnen.«
Seine Frage verstärkte die Kälte in mir, so dass ein weiteres Frösteln meinen Körper durchzog. Christophers Aufmerksamkeit entging das nicht. Er ließ mich augenblicklich los.
Ich schlang die Arme um meine Taille. Obwohl ich viel lieber ihn umschlungen hätte, rührte ich mich nicht von der Stelle. Seine Anschuldigung weckte Hilflosigkeit in mir. Ich konnte es nicht abstreiten, ja, ich hatte Angst empfunden, als er am Hünengrab die Totenwächterin in Schach gehalten hatte, aber das war nicht das entscheidende Gefühl für meine Zurückweisung. Liebe brachte Eifersucht hervor, nicht Furcht.
»Was ich für dich empfinde, ist stärker als Angst.«
»Und wenn sie eines Tages deine anderen Gefühle verdrängt? Was, wenn die Angst überhandnimmt?«
Christophers eisige Stimme schnitt tief, und ich konnte mein Zittern nicht länger unterdrücken.
»Erwartest du, dass ich dich aufgebe? Dass ich einfach leugne, was ich für dich empfinde, damit ich nicht eines Tages aufwache und mich vor deiner Engelsgestalt fürchte?« Ich schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht.«
Christopher schwieg. Während ich verzweifelt auf seine Antwort wartete, bekam ich einen Vorgeschmack, wie es sich anfühlen würde, wenn ich ihn verlor.
»Soll ich ... möchtest du, dass ich gehe?« Ich brachte nur noch ein Flüstern zustande.
»Wie könnte ich von dir verlangen, mit solch widerstreitenden Gefühlen zu leben?«
»Indem du mich entscheiden lässt, wie und wen ich lieben möchte, und nicht versuchst, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Ich habe einen Fehler gemacht, und ich weiß, dass du denkst, ich wäre zu schwach für meine Gefühle – aber das stimmt nicht!«
Ich streckte meine Hand nach ihm aus und berührte seinen Arm, unsicher, ob er nicht wieder vor mir zurückweichen würde. Christophers Miene blieb verschlossen. Langsam wagte ich
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