Schloß Gripsholm
gemein-
schaftlich:
Lieber Freund!
Ich habe in diesem Jahr noch acht Tage Urlaub gut und
würde die gern mit Dir und Deiner lieben Frau Freundin
verleben. Wie ich höre, seid Ihr in Schweden. Lieber Freund,
würdest Du wohl Deinen alten Kriegskameraden, der Dir
in so manchem Granattrichter den Steigbügel gehalten hat,
bei Euch aufnehmen? Lieber Freund, ich zahle auch das
Reisegeld für mich allein; es ist mir sehr schmerzlich, für
mich allein etwas bezahlen zu müssen; es ist dies sonst
nicht meine Art, wie Du weißt. Schreibe mir bitte, wie ich
zu Euch fahre, lieber Freund.
Kann ich da wohnen? Wohnt Ihr? Sind da viele Mäd-
chen? Soll ich lieber nicht kommen? Wollen wir uns gleich
den ersten Abend besaufen? Liebst Du mich?
Ich sende Dir beigebogen in der Falte das Bild meines
Fräulein Tochter. Sie wird so schön wie ich.
Lieber Freund, ich freue mich sehr, Euch zu sehen, und
bin Euer gutes
Karlchen
Darunter stand, mit Rotschrift, wie ein Aktenvermerk:
„Sofort! Noch gestern! Eilt unbeschreiblich!“
„So“, sagte ich. „Da hätten wir ihn. Soll er kommen?“
Braun war die Prinzessin und frisch. „Ja“, sagte sie.
„Jetzt kann er kommen. Ich bin ausgeruht, und wenn er
überhaupt nach acht Tagen wieder wegfährt? Abwechs-
lung ist immer gut.“ Demgemäß schrieb ich.
Wir waren in der Mitte der Ferien.
Baden im See; nackt am Ufer liegen, an einer versteck-
ten Stelle; sich voll Sonne saugen, daß man mittags herr-
lich verdöst und trunken von Licht, Luft und Wasser nach
Hause rollt; Stille; Essen; Trinken; Schlaf; Ruhe — Urlaub.
Dann war es soweit. „Wollen wir ihn abholen?“ — „Ha-
len wi em aff.“
Es war ein strahlender Tag — ein Wetter, wie die Prin-
zessin sagte, ein Wetter zum Eierlegen. Wir gingen auf den
Bahnhof. So ein winziger Bahnhof war das; eigentlich war
es nur ein kleines Haus, das aber furchtbar ernst tat und
vor lauter Bahnhof vergessen hatte, daß es Haus war. Da
lagen auch zwei Schienenpaare, weil die ja zu einem Bahn-
hof gehören, und hinten kam der Waggon angeschnauft.
Einen Zug gab es hier nicht — nur einen Motorwagen. Er
hatte sich einen kleinen Schornstein angesteckt, damit
man es ihm auch glaubte. Einfahrt. Gezisch. Karlchen.
Wie immer, wenn wir uns lange nicht gesehen hatten,
machte er eine gleichmütig-freundlich-dümmliche Miene,
so: „Na … da bist du ja …“ Er kam auf uns zu, der Schatten
der kommenden Begrüßung lag schon auf seinem Gesicht,
in der Hand trug er ein kleines Köfferchen. Der Bursche
war gut gewachsen, und sein leicht zerhacktes Gesicht sah
„jung und alert“ aus, wie er das nannte.
Guten Tag — und dies ist … und das ist … gebt euch mal
die Hand … und: Wo hast du denn das große Gepäck? —
Als die Präliminarien vorbei waren:
„Na, Karlchen, wie war denn die Reise?“
Er war nach Stockholm in einem Flugzeug geflattert, und
heute mittag war er angekommen … „War es schön?“ —
„Na …“ sagte Karlchen und fletschte nach alter Gewohnheit
das Gebiß — „da war eine alte Dame, die hatte Luftbe-
schwerden. Gib mir mal ’n Zigarettchen. Danke. Und da
haben sie doch diese kleinen Tüten … Zwei Tüten hatte sie
schon verbraucht, und dann bekam sie nicht rasch genug die
dritte, und der Mann neben ihr muß sich nun einen neuen
Sommerüberzieher kaufen oder den alten reinigen lassen.
Ich saß leider nicht neben ihr. Die sonstige Aussicht war
sehr schön. Und wie gefällt es denn der Gnädigsten hier?“
Wenn Karlchen ‚Gnädigste‘ sagte, woran er selber nicht
glaubte, dann machte er sich ganz steif und beugte den
Oberkörper fein nach vorn; dazu hatte er eine bezaubernde
Bewegung, den Unterarm mit einem Ruck zu strecken und
ihn dann mit spitzem Ellenbogen wieder einzuziehen, wie
wenn er nach seinen Manschetten sehen wollte …
Wie es der Gnädigsten gefiele? „Wenn der hier nicht da-
bei wäre,“ sagte die Gnädigste, „dann würde ich mich sehr
gut erholen. Aber Sie kennen ihn ja — er schwabbelt so
viel und läßt einen nicht in Ruhe …“ — „Ja, das hat er im-
mer getan. Wie schön,“ sagte er plötzlich, „daß ich meinen
Schirm in der Bahn habe stehn lassen.“ Und wir gingen zu-
rück und holten ihn. In Schweden kommt nichts fort. Die
beiden waren sich sofort und sogleich einig — merkwürdig,
wie bei Menschen oft die ersten Minuten über ihre gesam-
ten späteren Beziehungen entscheiden. Hier war augen-
blicklich zu spüren,
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