Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
Vom Netzwerk:
unserei-
    ner da so vorgesetzt bekommt. Seht mal — Zeitungen für
    uns gibt es eigentlich gar nicht. Sie tun immer alle so, als
    ob wir wer weiß wie viel Geld hätten — nein, als ob es gar
    kein Geld auf der Welt gäbe … dabei wissen sie genau: wir
    haben nur wenig — aber sie tun so. Was sie uns da alles
    erzählen … und was sie alles abbilden!“ — „Geronnene
    Wunschträume. Du sollst schlafen, du sollst schlafen, du
    sollst schlafen, liebes Kind!“ — „Nein, das meine ich nicht“,
    sagte die Prinzessin. „Ich meine: sie sind alle so furchtbar
    fein. Noch wenn sie den Dalles schildern, ist es ein fei-
    ner Dalles. Sie schweben eine Handbreit über dem Boden.
    Ob mal ein Blatt sagt, wie es nun wirklich ist: daß man
    am Zwanzigsten zu knapsen anfängt, und daß es mitunter
    recht jämmerlich und klein ist, und daß man sich gar nicht
    so oft ein Auto leisten kann, von Autos kaufen überhaupt
    nicht zu reden, und mit ihrer lächerlichen Wohnungskul-
    tur … haben wir vielleicht anständige Wohnungen?“
    „Die Leute fressen einen auf“, sagte ich. „Das Schlimm-
    ste ist: sie stellen die Fragen und sie ziehen die Kreise und
    sie spannen die Schnüre — und du hast zu antworten, du
    hast nachzuziehen, du hast zu springen … du kannst dir
    nichts aussuchen. Wir sind nicht hienieden, um auszu-
    suchen, sondern um vorliebzunehmen — ich weiß schon.
    Aber daß man lauter Kreuzworträtsel aufbekommt: Rom
    gibt dir eins auf und Rußland eins und Amerika und die
    Mode und die Gesellschaft und die Literatur — es ist ein
    bißchen viel für einen einzelnen Herrn. Finde ich.“
    „Wenn man sich das recht überlegt,“ sagte Karlchen,
    „sind wir eigentlich seit neunzehnhundertundvierzehn
    nicht mehr zur Ruhe gekommen. Spießerwunsch? Ich
    weiß nicht. Man gedeiht besser, wenn man seinen Frieden
    hat. Und es kommt alles nach — es wirkt so nach … Weißt
    du noch: der allgemeine Irrsinn in den Augen, als uns das
    Geld zerrann und man ganz Deutschland für tausend Dol-
    lar kaufen konnte? Damals wollten wir alle Cowboys wer-
    den. Eine schöne Zeit!“
    „Lieber Mann, wir haben das Pech, nicht an das zu glau-
    ben, was die Kaffern Proppleme nennen — damit trösten
    sie sich. Es ist ein Gesellschaftsspiel.“
    „Arbeiten. Arbeit hilft“, sagte die Prinzessin.
    „Liebe Prinzessin,“ sagte Karlchen, „ihr Frauen nehmt
    das ja ernst, was ihr tut — das ist euer unbestrittener Vor-
    zug vor uns andern. Wenn man das aber nicht kann … Im-
    merhin: eine so schöne junge Frau …“
    „Sie werden ausgewiesen, wenn Sie so reden“, sagte
    die Prinzessin. „Vestahn Sei Plattdütsch?“ — Karlchen
    strahlte: er sprach Platt wie ein hannöverscher Bauer, und
    jetzt schnackten sie eine ganze Weile in fremden Zungen.
    Was sagte sie da? Ich horchte auf. „Das hast du mir doch
    noch gar nicht erzählt?“
    „Nein …? Habe ich das nicht?“ Die Prinzessin tat furcht-
    bar unschuldig. Sie log sonst gut — aber jetzt log sie ganz
    miserabel. „Also?“
    Der Generalkonsul hatte es mit ihr treiben wollen.
    Wann? Vor zwei Monaten. „Bitte erzähl.“
    „Er hat gewollt. Na, ihr wollt doch alle. Verzeihen Sie,
    Karlchen, außer Ihnen natürlich. Er hat eines Abends …
    also das war so. Eines Abends hat er mich gefragt, ob ich
    länger bleiben könnte, er hätte noch ein langes Exposé
    zu diktieren. Das kommt manchmal vor — ich habe mir
    nichts dabei gedacht; natürlich bin ich geblieben.“ — „Na-
    türlich …“ sagte ich. „Ihr habt ja sonst den Achtstunden-
    tag.“ — „Quackel nicht, Daddy — wir haben ihn natürlich
    nicht, ich habe ihn nicht. Das ist eben in meiner Posi-
    tion …“ — „Darüber werden wir uns nie einigen, Alte. Ihr
    habt ihn nicht, weil ihr ihn euch nicht erkämpft. Und ihr
    kämpft nicht — ach, ich habe jetzt Ferien.“ — „Gibt es
    dafür Ferien?“ fragte Karlchen. „Also,“ fuhr die Prinzessin
    fort, „Exposé. Wie das fertig ist, bleibt er mitten im Zim-
    mer stehn — wissen Sie, Karlchen, mein Chef ist nämlich
    furchtbar dick — bleibt mitten im Zimmer stehn, sieht
    mich mit so ganz komischen Augen an und sagt: Haben
    Sie eigentlich einen Freund? Ja, sage ich. Ach, sagt er, sehn
    Sie mal an — und ich hatte gedacht, Sie hätten gar keinen.
    Warum nicht? sage ich. Sie sehn nicht so aus, also ich
    meine … Na, und dann kam er langsam damit heraus. Er
    wäre doch so allein, das sähe ich doch … zur Zeit hätte er
    überhaupt keinen

Weitere Kostenlose Bücher