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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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den Journalisten aus Österreich
    und den ihnen Anverwandten … es wird einem himmel-
    angst, wenn man das hört, und beim ersten Mal glaubt
    man das druckfertige Gerede auch, und es ist alles, alles
    nicht wahr. Was Karlchen anging, so war das ein Stiller. Er
    rauchte die Welt an, wunderte sich über gar nichts mehr,
    war ein braver Arbeiter im Aktengarten des Herrn und zog
    zu Hause zwei Kinder auf, ohne dabei ein Trockenmieter
    seiner selbst zu werden. Hier und da fiel er in Liebe und
    Sünde, und wenn man ihn fragte, was er nun wieder an-
    gestellt hätte, dann fletschte er die Zähne und sagte: „Sie
    hat mich über die Schwelle der Jugend geführt!“ und dann
    ging es wieder eine Weile.
    Jetzt saß er da und rauchte und dachte nach.
    „Wir müssen an Jakopp schreiben“, sagte er. Jakopp war
    der andre — wir waren drei. Mit der Prinzessin vier. „Was
    wollen wir ihm denn schreiben?“ fragte ich. „Hast du ihn
    gesehn? Du bist doch über Hamburg gefahren?“ Ja, Karl-
    chen war über Hamburg gefahren, und er hatte ihn gesehn.
    Jakopp war der Verschrullteste von uns, am Hamburger
    Wasserwerk sich betätigend, ein Ordentlicher, der deshalb
    auch die Georginen über alles liebte — „Georgine, die or-
    dentliche Blume“, sagte er — ein Kerl von bunter Verspielt-
    heit und mit vierhundertvierundvierzig fixen Ideen im
    Kopf. Wir paßten gut zueinander.
    „Wo ist denn auf einmal die Prinzessin?“ fragte Karl-
    chen. Die Prinzessin war ins Städtchen gegangen, „Knöpf-
    chen kaufen“. Wir kauften nie zusammen Knöpfchen, wo-
    mit jede Art Einkauf gemeint war — wenn wir es aber
    doch taten, dann zankten wir uns dabei. Nun war sie fort.
    Wir schwiegen eine Weile.
    „Na, und sonst, Karlchen?“ — „Sonst hat sich Jakopp
    Pastillen gekauft, weil er doch so viel raucht. Und wenn er
    raucht, dann hustet er doch so. Du kennst das ja — es ist
    ein ziemlich scheußlicher Anblick. Und jetzt hat er sich ge-
    gen das Rauchen ein Mittel besorgt: Fumasolan heißen die
    Dinger. Hm.“ — „Na und? Helfen sie?“ — „Nein, natürlich
    nicht. Aber er sagt: seit er das nimmt, verspürt er eine
    merkwürdige Steigerung seiner Manneskräfte. Das stört
    ihn sehr. Ob sie ihm die falschen Pastillen eingepackt ha-
    ben?“ — So ging alles in Jakopps Leben zu, und wir hatten
    viel Freude daran.
    „Gib mal eine Karte. Was wollen wir ihm denn …?“
    Endlich hatte ich es heraus. Wir wollten ihm eine Tele-
    grammkarte schicken, weil das tägliche Telegramm, das
    ihn gestört und herrlich aufgebracht hätte, zu teuer gewe-
    sen wäre. Wir telegrafierten also fortab auf Karten entsetz-
    lich eilige Sachen — heute diese:
    hergeflogenes karlchen soeben fast zur gänze eingetroffen
    drahtet sofort, ob sofort drahten wollt stop großmutti lei-
    der aus schaukel gefallen
    großvati
    Diese schwere Arbeit hatten wir hinter uns … nun ruhten
    wir aus und sagten erst mal gar nichts. Da kam die Prin-
    zessin.
    Sie hatte vielerlei Knöpfchen eingekauft; es ist rätsel-
    haft, was für eine Fülle von Waren Frauen noch in den
    kleinsten Ortschaften entdecken. Und Geld hatte sie auch
    nicht mehr, und ich zog mit gefurchter Stirn die Brieftasche
    und tat mich sehr dick. Dann legten wir uns ins Gras.
    „Geht euch das eigentlich auch so,“ sagte Karlchen, der
    hier schon völlig zu Hause war, „daß ihr euch so schwer
    erholt? Erholung ist eine Arbeit, finde ich. Man macht und
    tut, auch wenn man gar nichts tut — und man merkt es erst
    hinterher, wie …?“ — „Hm“, machten wir; wir waren zu
    faul, zu antworten. Es knisterte. „Steck die Zeitungen weg!“
    sagte ich. „Habt ihr gelesen …?“ sagte er. Und da war es.
    Da war die Zeit.
    Wir hatten geglaubt, der Zeit entrinnen zu können.
    Man kann das nicht, sie kommt nach. Ich sah die Prinzes-
    sin an und zeigte auf die Zeitung, und sie nickte: wir hat-
    ten heute nacht davon gesprochen, davon und von der Zeit
    und von dieser Zeit … Man denkt oft, die Liebe sei stärker
    als die Zeit. Aber immer ist die Zeit stärker als die Liebe.
    „Gelesen … gelesen …“ sagte ich. „Karlchen, was liest
    du jetzt eigentlich für eine Zeitung?“ — er nannte den
    Namen. „Man soll nicht nur eine lesen“, lehrte ich weise.
    „Das ist gar nichts. Man muß mindestens vier Zeitungen
    lesen und eine große englische oder französische dazu;
    von draußen sieht das alles ganz anders aus.“ — „Ich muß
    mich immer wundern,“ sagte die Prinzessin, „was

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