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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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daß sich beide auf Anhieb verstanden:
    das Ganze wurde nicht recht ernst genommen. Und ich
    schon gar nicht.
    Karlchen war noch genau so wie vor einem Jahr, wie
    vor zwei Jahren, wie vor drei Jahren: so wie er immer ge-
    wesen war. Er hob grade den Kopf und schnupperte leicht
    mißtrauisch in der Luft umher. „Hier ist … irgendwas …
    Irgendwas ist hier … wie?“ Das sagte er so hin, sprach
    dabei die Konsonanten scharf aus und trübte auch wohl
    manchmal das a, wie sie es im Hannöverschen zu tun pfle-
    gen. Genau so waren wir damals im Krieg am Ufer der Do-
    nau entlangspaziert und hatten gefunden, daß da irgend
    etwas sein müsse … Es war aber nichts.
    Ich hoppelte neben den beiden her, die in ein ange-
    regtes Gespräch über Schweden und über die Landschaft,
    über die Fliegerei und über Stockholm vertieft waren, die
    Prinzessin hatten wir in die Mitte genommen, manchmal
    sprachen wir über sie hinweg, und ich badete in einer tiefen
    Badewanne von Freundschaft.
    Sich auf jemand verlassen können! Einmal mit jemand
    zusammen sein, der einen nicht mißtrauisch von der Seite
    ansieht, wenn irgendein Wort fällt, das vielleicht die als
    Berufsinteressen verkleidete Eitelkeit verletzen könnte, ei-
    ner, der nicht jede Minute bereit ist, das Visier herunter-
    zulassen und anzutreten auf Tod und Leben … ach, darauf
    treten die Leute gar nicht an — sie zanken sich schon um
    eine Mark fünfzig … um einen alten Hut … um Klatsch …
    Zwei Männer kenne ich auf der Welt; wenn ich bei denen
    nachts anklopfte und sagte: Herrschaften, so und so … ich
    muß nach Amerika — was nun? Sie würden mir helfen.
    Zwei — einer davon war Karlchen. Freundschaft, das ist
    wie Heimat. Darüber wurde nie gesprochen, und leichte
    Anwandlungen von Gefühl wurden, wenn nicht ernste
    Nachtgespräche stattfanden, in einem kalten Guß bunter
    Schimpfwörter erstickt. Es war sehr schön.
    Wir hatten ihn im Hotel untergebracht, weil es in diesen
    Tagen bei uns keinen Platz mehr gab. Er sah sein Zimmer
    an, behauptete, es röche darin wie im Schlafzimmer Lud-
    wigs des Anrüchigen, es wäre überhaupt „etwas dünn“ …
    das sagte er von allem, und ich hatte es schon von ihm an-
    genommen; dann mußte er sich waschen, und dann saßen
    wir unter den Bäumen und tranken Kaffee.
    „Na, Fritzchen …?“ sagte er zu mir. Niemand wird je er-
    gründen können, warum er mich Fritzchen nannte. „Kann
    man denn bei euch baden? Wie ist der See?“ — „Es sind
    gewöhnlich sechzehn Grad Celsius oder zwanzig Remius“,
    sagte ich. „Das macht die Valuta.“ Das sah er ein. „Und
    was tun wir heute abend?“ — „Ja …“ sagte die Prinzessin,
    „heute wollen wir einen ganz stillen Abend abziehen …“ —
    „Kann man hier Rotwein bekommen?“ — Ich berichtete
    die betrübliche Tatsache mit dem Rotwein und erzählte
    davon, daß in der ‚Sprit-Zentrale‘ ein junger Mann Cha-
    blis unter den Rotweinen gesucht habe. Karlchen schloß
    wehmütig die Augen. „Aber du darfst den Wein bezah-
    len, Karlchen — das ist der sogenannte Einstand, den die
    Fremden hier geben.“ Das hörte er leider nicht. Ein Mäd-
    chen ging vorüber — nicht einmal ein besonders hübsches.
    „Na …?“ sagte Karlchen, „was …?“ Und sprach weiter, als
    ob gar nichts gewesen wäre. Es war auch nichts. Aber er
    mußte das sagen — sonst wäre er wohl geplatzt. Und nun
    fingen wir langsam an, uns wie vernünftige Menschen zu
    gebärden.
    Wir waren ein ganzes Stück Zeit miteinander gefah-
    ren und sprachen unter uns einen Cable-Code, der vieles
    abkürzte. Die Prinzessin fand sich überraschend schnell
    darein — es war ja auch nichts Geheimnisvolles, es war
    eben nur die Übereinstimmung in den Grundfragen des
    Daseins. Wir wußten beide, daß es ‚alles nicht so doll‘
    sei … und wir hatten uns aus Skepsis, Einsicht, Unvermö-
    gen und gut angelegter Kraft eine Haltung zusammenge-
    kocht, die uns in vielem schweigen ließ, wo andre wild
    umhersurrten. Die größten Vorzüge dieses Mannes lagen,
    neben seiner Zuverlässigkeit, im Negativen: was er alles
    nicht sagte, was er nicht tat, nicht anstellte … Da gab es
    keine fein gebildeten Verdauungsgespräche, in denen die
    Herren dem ‚Geist ihrer Zeit‘ einen scheußlichen Tribut
    darbringen, ohne übrigens ihr Leben auch nur um einen
    Deut zu ändern. Da wurde nicht literarische Bildung ver-
    zapft, und es gab keine wiener Aphorismen über Tod, Liebe,
    Leben und Musik, wie bei

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