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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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Menschen, und er hätte mal eine langjäh-
    rige Freundin gehabt, die hätte ihn aber betrogen — “ Karl-
    chen schüttelte bekümmert den Kopf, wie so etwas wohl
    möglich wäre. „Na, und was hast du gesagt?“ — „Du alter
    Affe — ich habe Nein gesagt.“ — „Ach?“ — „Ach! Hätte
    ich vielleicht Ja sagen sollen?“ — „Na, wer weiß! Eine gute
    Position … Hör mal, ich habe da einen Film gesehn — “ —
    „Da bezieht er nämlich seine Bildung her, Karlchen. Wür-
    den Sie mit Ihrem Chef was anfangen?“ — Karlchen sagte,
    er würde mit seinem Chef nie etwas anfangen. „Das ist ja
    alles Unsinn“, sagte die Prinzessin. „Männer verstehen das
    nicht. Was hat man denn davon? Ich müßte seine Sorgen
    teilen wie seine Frau, arbeiten wie seine Sekretärin, und
    wenn die Börse fest ist, dann bleibt er eines Abends bei
    einer andern mitten im Zimmer stehn und fragt die, ob

sie vielleicht einen Freund … Ach, geht mir doch los!“ —
    „Und an mich hast du gar nicht gedacht?“ sagte ich. „Nein“,
    sagte die Prinzessin. „An dich denke ich erst, wenn der
    Mann in Frage kommt.“ Und dann standen wir auf und
    gingen an das Seeufer.
    Das Schloß schlief dick und still; überall roch es nach
    Wasser und nach Holz, das lange in der Sonne gelegen
    hatte, nach Fischen und nach Enten. Wir gingen am See
    entlang.
    Und ich genoß diese beiden; dies war ein Freund, nein,
    es waren zwei Freunde — und ich verriet die Frau nicht an
    den Mann, wie ich es fast immer getan hatte; denn wenn
    da ein Mann war, mit dem es etwas zu erzählen gab, dann
    ließ ich die Frau liegen, als ob ich nicht noch eben mit
    ihr geschlafen hätte; ich gab sie auf, kümmerte mich nicht
    mehr um sie und verriet sie voller Feigheit an den ersten
    besten. Dann ließ sie los. Und dann wunderte ich mich.
    Die zwei sprachen sich in ihren Dialekten über ihre Hei-
    mat aus. Sie sagten, wo man das r aussprechen müsse und
    wo nicht; sie ergänzten ihre Schimpfwörterverzeichnisse;
    sie wußten beide, was das ist: niederdeutsch. Es ist jener
    Weg, den die deutsche Sprache leider nicht gegangen ist,
    wieviel kraftvoller ist da alles, wieviel bildhafter, einfacher,
    klarer — und die schönsten Liebesgedichte, die der Deut-
    sche hat, stehen auf diesen Blättern. Und die Menschen …
    was es da im alten Niederdeutschland, besonders an der
    Ostsee, für Häuser gegeben hat, eine Traumwelt von Ab-
    sonderlichkeit, Güte und Musik, eine Käfersammlung von
    Leuten, die alle nur einmal vorkommen … Vieles davon ist
    nun in die Hände dummer Heimatdichter gefallen, die der
    Teufel holen möge — scheinbar gutmütige Bürger, unter
    deren rauchgeschwängerten Bärten der Grog dampft und
    die die kraftvolle Männlichkeit ihrer alten Sprache in ei-
    nen fatalen Brei von Gemütlichkeit umgelogen haben — :
    Oberförster des Meeres. Manche haben sich den Bart ab-
    rasieren lassen und glauben nun, wie alte Holzschnitte
    auszusehen — aber es hilft ihnen nichts; kein Wald
    rauscht ihnen, kein Meer rauscht ihnen, ihnen rauscht der
    Bart. Ihre Gutmütigkeit verschwindet im Augenblick, wo
    sie etwas verwirrt in die neue Zeit starren und auf den
    politischen Gegner stoßen; dann krabbelt aus ihnen ans
    Licht, was in ihnen ist: der Kleinbürger. Unter ihren Netz-
    hemden schlägt ein Herz, im Parademarsch.
    Das ist nicht unser Plattdeutsch, das nicht.
    Niederdeutschland aber geht nicht ein — es lebt und
    wird ewig leben, solange dieses Land steht. Dergleichen
    hat es außerhalb Deutschlands nur noch einmal gegeben,
    aber da auf dem Rücken einer dienenden, nicht gut behan-
    delten Kaste: in Kurland. Doch der Niederdeutsche ist an-
    ders. Seine Worte setzt er bedächtig, und sie sind gut. Und
    darüber sprachen die beiden. Und ich wußte: das Beste an
    der Prinzessin stammte aus diesem Boden. Und ich liebte
    in ihr einen Teil dieses Landes, das einem so sehr schwer
    macht, es zu lieben. Dessen ratlose Seelen es für eine Aus-
    zeichnung halten, gehaßt zu werden. Da war die Zeit, da
    war sie wieder. Nein, für uns gibt es wohl keine Ferien.
    Die beiden aber schnackten unentwegt. Jeder pries sein
    Plattdeutsch als das allein wahre und schöne, das des an-
    dern wäre ganz falsch. Jetzt waren sie bei den Geschichten
    angelangt.
    Die Prinzessin erzählte die vom Schuster Hagen, dem
    der Amtsverwalter sein Prost Neujahr zugerufen hatte: „Ick
    wünsch See uck veel Glück taut niege Johr, Meisting!“ —
    Und der andre hatte dann

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