Schloß Gripsholm
Luft hat doch … der Teint ist …“ —
„Du gewinn den Nobelpreis und halt den Schnabel“, sagte
sie. „Hör mal, ich sage dir das wirklich …“ — „Daddy, das
verstehn die Männer nie — und wir verstehn uns doch
wirklich gut. Jeder seins, lieber Daddy. Du schminkst dich
nicht, und ich genieße des Puders. So ist das!“ Nun setz-
ten wir uns auf eine Bank. Ich brummte: „They are all the
same …“, dieser Satz Byrons machte meinen halben engli-
schen Sprachschatz aus. „Sei mal nett zu ihr!“ sagte Karl-
chen, und die Prinzessin war begeistert und nickte ihm
fröhlich zu: „Nicht wahr?“ — „Wer seine Braut zu seinem
Weibe macht,“ sagte Karlchen, „der soll auch das Weib zu
seiner Braut machen!“ — „Nun gebt euch einen Kuß!“ sagte
ich. Das taten sie. „Sei wirklich nett zu ihr!“ sagte Karlchen
noch einmal. Er war ein Vorübergehender. Der Vorüberge-
hende ist stets milde und weise, hat für alles gute und
kluge Worte und geht vorüber. Wir, die wir bleiben … Aber
gleich war diese kleine Wolke vorbei. Weil Karlchen das
gescheite Wort sprach: „Bei uns zu Hause sagen sie immer:
Zur Heirat gehört mehr als nur vier nackte Beine ins Bett.“
„Karlchen,“ sagte ich unvermittelt, „was wird aus uns
mal? Ich meine … so später … im Alter …?“
Er antwortete nicht gleich. Dafür die Prinzessin:
„Daddy, weißt du noch, was auf der alten Uhr stand, die wir
in Lübeck zusammen gesehen haben und die wir damals
nicht kaufen konnten?“ — „Ja“, sagte ich. „Es stand drauf:
Lasset die Jahre reden.“
Ich sah sie an, und sie gab den Blick zurück: wir faßten
uns mit den Augen bei den Händen. Sie war bei mir. Sie
gehörte dazu. Sie sorgte für mich.
Als wir aber nach Hause kamen, lag da für die Prin-
zessin ein großer Strauß aus Mohrrüben, Petersilie und
Sellerie. Der war von Karlchen, denn so liebte er, wenn er
liebte.
2
„Das laßt man Frau Direktor sehn!“ sagte das Stubenmäd-
chen Emma. „Die ist heute grade in der richtigen Laune!“
Das Gelächter der vier kleinen Mädchen verstummte
jäh. Eine bückte sich scheu nach den Büchern, mit denen
sie sich eben geworfen hatten. Hanne, die dicke Hanne
aus Ostpreußen, setzte zu einer Frage an. „Was ist denn?
Ist Frau Direktor …?“ — „Na, macht nur!“ sagte das Mäd-
chen und lachte schadenfroh. „Ihr werdt ja sehn!“ Und
ging eilig davon. Die vier standen noch einen Augenblick
zusammen, dann verteilten sie sich rasch im Korridor.
Hanne war die letzte.
Sie hatte grade die Tür des Schlafzimmers aufgemacht,
in dem die andern schon standen und ihre Badesachen
zusammensuchten, als man die schrille Stimme der Frau
Adriani aus dem untern Stockwerk vernahm — wie laut
mußte sie sprechen, daß man das so deutlich hören konnte!
Die Mädchen standen wie die Wachspuppen.
„So? Ach! Das hast du nicht gewußt! Das hat das gute
Lieschen nicht gewußt! Habe ich dir nicht schon tausend-
mal gesagt, daß man seinen Schrank nicht offenstehn läßt?
Was? Wie?“ — Man hörte, wie aus einer Watteschach-
tel, ein ganz leises Weinen. Oben sahen sie sich an und
atmeten, sie schauerten vor Angst zusammen. „Du bist
eine Schlumpe!“ sagte die ferne Stimme. „Eine dreckige
Schlumpe! Was? Der Schrank ist allein aufgegangen? Na,
da hört doch … Und — was ist denn das hier? Wie? Seit
wann bewahrst du dir denn Essen in der Wäsche auf?
Wie? Du Teufelsbraten! Ich werde dir — “
Nun wurde das Weinen lauter, so laut, daß man es deut-
lich hören konnte. Schläge konnten sie nicht hören — : Frau
Adriani pflegte nicht zu schlagen, sie knuffte. „Hier — und
da — und jetzt … Ich werde euch überhaupt mal alle …“
Fortissimo: „Alle runter kommen! In den Eß-Saal!“
In die Wachspuppen oben kam Leben; sie warfen ihre
Badesachen auf die Betten, sie hatten plötzlich hochrote
Köpfe, und einer, der ewig blassen Gertie, standen Tränen in
den Augen. Man hörte, rasch hervorgestoßen: „Macht doch!
Fix!“, dann gingen sie hinunter, sie liefen fast, schweigend.
Aus allen Türen kamen die Mädchen; sie hatten er-
schrockene Gesichter, eine fragte leise: „Was ist denn …“
und wurde gleich zur Ruhe verwiesen; wenn es gewittert,
soll man lieber nicht sprechen. Auf den Treppen trappelte
es, Schritte, Poltern, Türenklappen … nun war der Eß-Saal
voll. Als letzte kam Frau Adriani, eine rote Wolke, mit der
weinenden Lisa Wedigen an
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