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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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verehrungsvoll über den ganzen
    Marktplatz zurückgebrüllt: „Ins Gegenteil! Ins Gegenteil,
    Herr Amtsverwalter!“ Und jene vom Schulzen Hacher,
    der seinen Ochsen auf die Ausstellung brachte und dazu
    sprach: „Ick dau dat nicht för Geld. Ick dau dat blodsen för
    de Blamasch!“
    Und dann wieder Karlchen: wie Dörten, Mathilde und
    Zophie, die neugierigsten Mädchen in ganz Celle, ihn ge-
    fragt hatten, wer denn der junge Mann wäre, der jetzt im-
    mer morgens durch die Straßen ginge. Er konnte es ihnen
    nicht sagen. Und dann hatte er sie nachts geweckt, das
    ging gut, denn sie wohnten Parterre — und als sie ganz
    erschreckt ans Fenster kamen, alle drei: „Ich wollte den
    Däömen nur sagen: der Herr von heute morgen hat fromme
    Bücher verkauft.“
    Und dann sangen sie schöne Lieder, immer eines nach
    dem andern. Die Prinzessin:
    „Auf dem Berge Sinai, da sitzt die Mutter Pietschen,
    und wenn sie nichts zu essen hat, dann …
    Karlchen, wie ist das mit einem Lullerchen Schlaf, heute
    nachmittag?“ fragte sie plötzlich. Karlchen sang grade:
    „Sie trug ein bunt kariertes Kleid,
    mir tut mein Geld noch heute leid —
    Nein“, sagte er. „Heute nachmittag tun wir einen schönen
    Spaziergang. Das ist gut für den Dicken, und wir schlafen
    dann nachts besser.“ Der Dicke war ich. Wohlwollend mu-
    sterte mich sein Blick. „Wenn man euch junges Volk so
    sieht … gut erholt seid ihr — !“
    Und so fühlten wir uns auch. Ich wackelte schweigend
    neben den beiden her, denn junges Glück soll man nicht
    stören.
    Begehrte er sie — ?
    Natürlich begehrte er sie. Aber dies war ungeschriebe-
    nes Gesetz zwischen uns: Totem und Tabu … Unter wel-
    chem Tier wir geboren waren, wußten wir nicht; aber es
    mußte wohl das gleiche sein. Und die Frauen des andern:
    nie. Rational gemacht hatten wir das so: „Deine Bräute …
    also wenn man die schon sieht — herzlichen Glück-
    wunsch!“ Und wieder fühlte ich, zum hundertsten Male
    in so vielen Jahren, das Unausgesprochene dieser Freund-
    schaft, das Fundament, auf dem sie ruhte. Ich kannte den
    Urgrund seiner Haltung. Ich wußte, weil ich es mitangese-
    hen hatte: was der Mann alles erlebt hatte („Über mich ist
    ein bißchen viel hinweggebraust!“ pflegte er zu sagen); ich
    sah seine unbedingte Selbstbeherrschung, wenns schief
    ging, der konnte die Ohren steif halten. Oft, wenn ich
    nicht weiter wußte, dachte ich: Was täte Karlchen jetzt?
    Und dann ging es wieder eine Weile. Eine richtige Männer-
    freundschaft … das ist wie ein Eisberg: nur das letzte Vier-
    tel sieht aus dem Wasser. Der Rest schwimmt unten; man
    kann ihn nicht sehn. Klamauk — Klamauk ist nur schön,
    wenn er auf Ernst beruht.
    „Plattdeutsch predigen,“ hörte ich Karlchen grade sagen,
    „nein — nein.“ — „Das ist doch Unfug, Herr Karlchen“,
    sagte die Prinzessin. „Warum denn nich? Den Bauern ve-
    stehn es doch viel besser. Natürlich euern Platt … aber
    unsen Plattdeutsch …“ — „Schöne junge Frau,“ sagte Karl-
    chen; „das ist es nicht. Die Bauern verstünden es schon —
    und eben deswegen mögen sie es nicht. In der Kirche wol-
    len sie nicht die Sprache ihres Alltags; vor der haben sie
    keine Achtung — was kann an dem sein, was sie im Stall
    sprechen? Sie wollen das andre, das Ungewöhnliche, das
    Feierliche. Sonst sind sie enttäuscht und nehmen den Pa-
    stor nicht für voll. Na, und nun gehn wir ja wohl im Chan-
    tant … Fritzchen, weißt du noch?“
    Und ob ich es wußte! Das stammte von Herrn Petkoff
    aus Rumänien, vom rumänischen Kriegsschauplatz, den
    wir gemeinsam bevölkert hatten. Herr Petkoff pflegte Ge-
    schichten zu erzählen, die sich durch besondere Pointen-
    losigkeit auszeichneten, aber sie endeten alle im Puff. „Sagt
    er zu mir: Petkoff, du Schwain, komm, gehn wir im Chan-
    tant!“ Und was da nun war, wollte die Prinzessin gern wis-
    sen. Karlchen machte vor: „Petkoff sagte und schlug sich
    dabei auf die Oberschenkel: Hier ein Mättchän und da ein
    Mättchän …“ — „Aber Karlchen,“ sagte die Prinzessin, „da
    muß ich ja ganz rot werden!“ — „Er hatte eine Freundin,
    der Petkoff. Die hatte vor seiner Zeit dreizehn Geliebte
    gehabt.“ — „Dreizehn Geliebte“, lobte die Prinzessin. „Und
    wieviel schnelle Männer — ?“
    So schritten wir selbander dahin.
    Da blieb die Prinzessin stehn, um sich zu pudern. „Ich
    begreife nicht, wie man sich in Gottes freier Natur pudern
    kann“, sagte ich. „Die

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