Schloß Gripsholm
Rosen her … das ist ja — Jemand war an der
Tür.
„Du kannst gute Nacht sagen!“ sagte die Prinzessin. Ich
ging hinein.
Billie sah mich lächelnd an; das Lächeln war sauber.
Die Prinzessin lag neben ihr, so still. Zu jeder ging ich,
und jede küßte ich leise auf den Mund. „Gute Nacht …“
und „Gute Nacht …“ Kräftig rauschten draußen die Bäume.
Eine Sekunde lang stand ich noch am Bett.
„Wie ist denn das alles so plötzlich gekommen?“ sagte
die Prinzessin leise.
FÜNFTES KAPITEL
Das war ein Wurf! sagte Hans —
da warf er seine Frau zum Dach-
fenster hinaus.
1
Einer von den Tagen, wie sie sonst nur im Spätsommer
vorkommen: bunt, gesättigt und windstill. Wir lagen am
Seeufer.
Ein paar Meter vor uns schaukelte ein Boot, unser Bade-
boot — das Wasser gluckste leise gegen das Holz, auf und
ab, auf und ab … Wenn man die Hand ins Wasser hielt,
gab das ein winziges Kältegefühl, dann zog man sie wie-
der heraus, und dann trockneten die Tropfen in der Luft.
Ich rauchte einen Grashalm, die Prinzessin hielt die Augen
geschlossen.
„Heute ist vorgestern“, sagte sie. Das war so ihre Art der
Zeitrechnung, da wir übermorgen fortfahren wollten, so
war heute vorgestern.
„Wo mag sie jetzt sein?“ fragte ich. Die Prinzessin sah
auf die Uhr: „Jetzt ist sie zwischen Malmö und Trälleborg,“
sagte sie; „in einer Stunde steigt sie auf die Fähre.“ Dann
schwiegen wir wieder. Billie — dachte ich — Billie …
Sie war abgefahren: leise, heiter, froh — und es war
nichts gewesen, es war nichts gewesen. Ich war glücklich;
es hatte keinen Schatten gegeben. Gottseidank nein. Ich
sah zur Prinzessin hinüber. Sie mußte den Blick gespürt
haben; sie öffnete die Augen.
„Wo bleibt die Frau Collin? Watt seggst to det Ei? Hett
de Katt leggt!“
Die Frau Collin hatte nicht geschrieben — und wir woll-
ten doch fort. Wir mußten fort; unser Urlaub war abgelau-
fen. Noch einmal telefonieren? Schließlich und endlich …
„Diese dämliche Person“, schimpfte ich vor mich hin. „Man
muß doch das Gör da herauskriegen! Himmelherrgottdon-
ner …“ — „Daddy, du repräsentierst ein Volk!“ sagte die
Prinzessin würdevoll, als ob uns die schwedischen Bäume
hören könnten. „Du sollst des Anstands gedenk sein!“ Ich
sagte ein zweisilbiges Wort. Woraufhin mich die Prinzes-
sin mit etwas Mälarsee anspritzte. Und da wollte ich sie in
den See werfen. Und da lag ich drin.
Ich pustete sie mit Wasser voll wie ein Elefant, sie warf
mir Hölzchen an den Kopf … dann legte sich das alles. Ich
kroch heran, und wieder saßen wir friedlich zusammen.
„Was machen wir aber wirklich?“ fragte ich triefend.
„Warten? Wir können nun nicht mehr warten! Du mußt
am Dienstag zu Hause sein, und auf mich lauern sie auch.
Mal muß der Mensch doch wieder arbeiten! Hier vertue
ich meine kostbare Zeit mit dir …“ Sie hob drohend den
Arm. Ich rückte ein Stückchen weg. „Ich meinte nur. Aber
wollen wir telefonieren? Ja?“
„Nun wollen wir erstmal zu Ende baden“, sagte die
Prinzessin. „Wenn wir nachher nach Gripsholm kommen,
werde ich dir das alles sagen. Holla — hopp!“ Und wir
schwammen.
„Paß auf —“ pustete ich dazwischen, „sie wird es nicht
tun, die Frau Collin. Wahrscheinlich hat sie sich das über-
legt — ich hatte so den Eindruck, daß sie den kleinen Ge-
genstand gar nicht bei sich haben will — vielleicht führt
sie ein uhrenhaftes Leben …“ Die Prinzessin kniff mich
ins Bein. „Oder sie traut uns nicht und denkt, wir wer-
den das Kind entführen. Aber der Frau Adriani hat sie ge-
traut. Na, du wirst es sehen! Diese Weiber! Aber das sage
ich dir, Alte: wenn sie heute nicht schreibt! Nie wieder
in meinem Leben kümmere ich mich um fremde Kinder.
Um fremde nicht! um deine auch nicht! um meine auch
nicht! Himmelkreuzund …“ — „Daddy“, sagte die Prinzes-
sin. „Solang as ich dir kenn, hältst du ümme weise Redens
über das, wasse tun wirst, und mehrstenteils kommt nach-
her allens ganz anners. Aber dascha so bei die Männers.
Bischa mallrig!“ — „Ich werde …“ — „Ja, du wirst. Wenn
sie dir das Futurum wegnehmen, dann bleibt da aber nicht
viel.“ — „Person!“ — „Selber!“ Huburr — der ganze See
fing an zu schaukeln, weil wir eine wilde Seeschlacht ver-
anstalteten. Dann schwammen wir ans Ufer.
Auf dem Wege zum Schloß:
„Mein Alter hat gar nicht geschrieben …
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