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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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nichts: wir müssen das Kind mit-
    nehmen, sonst bekommen wir nicht alles!“ — „Hm.“ —
    „Und wenn wir es hier in Gripsholm lassen, dann ist die
    Alte imstande und nimmt es von hier fort, und das ganze
    Theater fängt von vorn an. Erklär das mal dem kleinen Ge-
    genstand!“ Das dauerte zehn lange Minuten; ich hörte die
    Kleine nebenan weinen und immer wieder weinen, dann
    wurde sie ruhiger, und als nun auch die Schloßfrau auf sie
    einsprach, wurde sie still. „Nehmen Sie mich auch gewiß …
    nehmen Sie mich auch ganz gewiß wieder mit?“ fragte sie
    immer wieder. Wir redeten ihr gut zu. „Sie weinete, Er
    tröstete den Trost aus voller Brust — “ sagte die Prinzessin
    leise. Und dann gingen wir.
    Wir sprachen, damit das Kind uns nicht verstände,
    französisch. „Du springst ihr doch hoffentlich gleich mit
    dem Brief und mit dem Scheck ins Gesicht?“ — „Lydia“,
    sagte ich. „Lassen wir sie ein kleines Weilchen toben. Ein
    Hälmchen … Ich möchte noch mal sehn, wie das ist. Nur
    ein Weilchen!“ Die Prinzessin fiel murrend aus dem Fran-
    zösischen in ihr geliebtes Plattdeutsch. „Ick schall mi von
    Schap beeten laten, wenn ick ’n Hund in de Tasch hebb?“
    Und nun wandten wir uns wieder zu der Kleinen, die un-
    ruhiger wurde mit jedem Schritt, der uns dem Kinderheim
    näherbrachte. „Darf ich auch wieder heraus? Aber sie läßt
    mich ja nicht — sie läßt mich ja nicht!“ — „Wir müssen
    doch deine Sachen holen, und du brauchst keine Angst zu
    haben …“ Als wir das Kinderheim sahen, sagten wir gar
    nichts mehr. Ich legte der Kleinen leise meinen Arm um
    die Schultern. „Komm — das geht gut aus!“ Sie ließ sich
    ein bißchen ziehen, aber sie ging still mit. Wir brauchten
    nicht zu klopfen — die Tür war offen.
    Frau Adriani stand unten in der Halle, sie war über
    eine Truhe gebeugt und wandte uns den Rücken zu. Als
    sie unsre Schritte hörte, drehte sie sich blitzschnell um.
    „Ah — da sind Sie ja! Na, das ist Ihr Glück! Sind Sie mei-
    nem Mädchen nicht begegnet? Nein? Na, es ist schon je-
    mand unterwegs, falls Sie nicht gekommen wären … Wo
    bist du hingelaufen, du Teufelsbraten!“ schrie sie das Kind
    an: „Wir sprechen uns nachher! Nachher sprechen wir uns!
    Los jetzt!“ Das Kind verkroch sich hinter die Prinzessin.
    „Einen Augenblick“, sagte ich. „So schnell geht das nicht.
    Warum ist das Kind von Ihnen fortgelaufen?“ — „Das
    geht Sie gar nichts an!“ schrie Frau Adriani. „Gar nichts
    geht Sie das an! — Komm her, mein Kind!“ Sie ging auf
    das Kind zu, das ängstlich zusammenzuckte. Sie legte der
    Kleinen die Hand auf den Kopf. „Was sind denn das für
    Dummheiten! Wozu läufst du denn vor mir fort? Hast du
    Angst vor mir? Du mußt vor mir keine Angst haben! Ich
    will doch dein Bestes! Da läufst du nun zu fremden Leu-
    ten … stehen dir denn diese fremden Menschen näher als
    ich? Ich habe dir doch erzählt: die sind nicht mal richtig
    verheiratet …“ Sie sprach so falscheindringlich in das Kind
    hinein, aber ihre Stimme wußte sich gehört; sie sprach
    gewissermaßen im Profil. „Läufst hier fort …!“ Das Kind
    schauerte zusammen.
    „Kann ich Sie wohl mal sprechen?“ sagte ich sanft.
    „Was … wir haben uns nichts zu sagen!“ — „Vielleicht doch.“
    Wir gingen alle in den Eß-Saal.
    „Also das Kind ist zu Ihnen gelaufen! Das ist ja reizend!
    Ihr Glück, daß Sie es auf meine Weisung sofort wiederge-
    bracht haben! Sie wird nicht mehr weglaufen — das kann
    ich Ihnen versprechen. So ein Geschöpf! Na warte …“ —
    „Das Kind muß doch einen Grund gehabt haben, wegzu-
    laufen!“ sagte ich. „Nein. Das hat es gar nicht gehabt. Es
    hat keinen Grund gehabt.“ — „Hm. Und was werden Sie
    nun mit ihm machen?“ — „Ich werde es bestrafen“, sagte
    Frau Adriani satt und hungrig zugleich. Sie reckte sich in
    ihrem Stuhl. „Erlauben Sie mir bitte eine Frage: Wie wer-
    den Sie es bestrafen?“ — „Ich brauche Ihnen darauf keine
    Antwort zu geben — ich muß das nicht. Aber ich sage es
    Ihnen, denn es ist im Sinne von Frau Collin, im Sinne von
    Frau Collin, daß das Kind streng gehalten wird. Sie wird
    also Zimmerarrest bekommen, die kleinen Hausstrafen,
    Arbeiten, es darf nicht mit den andern spazierengehn — so
    wird das hier gemacht.“ — „Und wenn wir Sie bitten, dem
    Kind die Strafe zu erlassen … täten Sie das?“ — „Nein.
    Dazu könnte ich mich nicht entschließen. Da könnten

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