Schloß Gripsholm
ganze Zimmer. Ich behielt den Hörer noch ei-
nen Augenblick in der Hand. „Gottseidank …“ sagte ich. —
„Ob sie es nun auch tut?“ fragte die Prinzessin, noch ein
wenig atemlos. „Was hat sie gesagt?“ fragte Billie. Nun war
sie schon etwas mehr bei der Sache — gar nicht mehr so
höflich-teilnehmend wie heute nachmittag. Feldzugskame-
rad Billie … Ich berichtete. Und dann tanzten wir alle drei.
„Dascha wunnerbor!“ sagte Lydia. „Wann kann ihr Brief
hier sein? Heute ist Dienstag. Mittwoch … Donnerstag …
In drei Tagen, wie?“ Wir schrien alle durcheinander und
waren so vergnügt. In mir war so etwas wie: Wohltun
schmeckt süß, Rache trägt Zinsen, und liebe deinen Näch-
sten wie der Hammer den Amboß. „Darf ich die jungen
Damen auf die Weide treiben?“ Wir gingen zum Essen.
„Billie!“ sagte ich, „wenn das der alte Geheimrat Goethe
sähe! Wasser in den Wein! Wo haben Sie denn diese ab-
scheuliche Angewohnheit her! sagte er zu Grillparzer, als
der das tat. Oder hat er es zu einem andern gesagt? Aber
gesagt hat er es.“ — „Ich vertrage nichts“, sagte Billie, und
ihre Stimme klang, wie wenn ein silberner Ring in ei-
nen Becher fällt … — „Verträgt Margot vielleicht mehr?“
fragte die Prinzessin. „Margot …“ sagte Billie und lachte.
„Ich habe sie mal gefragt, was sie wohl täte, wenn sie be-
schwipst wäre. Sie war es nämlich noch nie. Sie hat gesagt:
wenn ich betrunken bin, das stelle ich mir so vor — ich
liege unter dem Tisch, habe den Hut schief auf und sage
immerzu Miau!“ Das wurde mit einem sanften Rotwein be-
gossen; Billie schluckte tapfer, die Prinzessin sah mich an,
schmeckte und sprach: „Ich mache mir ja nichts aus Rot-
wein. Aber wenn das der selige Herr Bordeaux wüßte …“
und dann sprachen wir wieder von Zürich und von dem
kleinen Gegenstand, und Billie wurde munter, wohl weil
sie uns Rotwein trinken sah. Die Prinzessin blickte sie
wohlgefällig von der Seite an.
Ich gähnte verstohlen. „Na, schickst all een to Bett?“
fragte die Prinzessin. „Ich schreibe noch den Brief an die
Frau. Löst ihr nur euer Rätsel!“ Sie lösten. Ich schrieb. Was
die Schreibmaschine heute nur hatte! Manchmal hat sie
ihre Nücken und Tücken, das Luder; dann verheddern sich
die Hebel, nichts klappt, das Farbband bleibt haken, gleich
schlage ich mit der Faust … „Hö-he-he!“ rief die Prinzes-
sin herüber. Sie kannte das, und ich schrieb beschämt und
ruhiger weiter. So, das war fertig. Vielleicht ist der Brief zu
schwer … Haben wir hier keine Briefschaukel? „Ich bringe
ihn noch auf die Post!“
Es regnete. Schön ist das, durch so einen frischen Re-
gen zu gehn … Wie heißt der alte Spruch? Es gibt kein
schlechtes Wetter, es gibt nur gute Kleider. Nun, es gibt
schon schlechtes Wetter; es gibt mißratenes Wetter, es gibt
leeres Wetter, und manchmal ist überhaupt kein Wetter.
Der Regen befeuchtete mir die Lippen; ich schmeckte ihn
und atmete tief: es ist doch hier weiter gar nichts, Ferien,
Schweden, die Prinzessin und Billie — aber dies ist einer
jener Augenblicke, an die du dich später einmal erinnern
wirst: ja, damals, damals warst du glücklich. Und ich war
es und dankbar dazu.
Zurück.
„Na, habt ihr gelöst?“ — Nein, sie lösten noch und wa-
ren grade in eine erbitterte Streiterei geraten. ‚Vater der
Kirchengeschichte‘ … sie mußten da irgendeinen Unsinn
gemacht haben, denn für dieses eine Wort hatten sie noch
acht Silben übrig, darunter: e-di-son, und obgleich der ja
nun viel in seinem Leben getan und seine Zeit umgestaltet
hat: Kirchengeschichte hatte er doch wohl nicht … „Löst
das nachher!“ sagte ich. „Wann nachher?“ fragte Billie.
„Da schlafen wir.“ — „Billie schläft überhaupt heute bei
mir“, sagte die Prinzessin. „Du kannst nebenan in der Ke-
menate schlafen!“ — „Hurra!“ riefen die beiden. „Macht
es Ihnen etwas?“ fragte mich Billie. „Aber …!“ Und sie lief
davon und holte ihre Sachen, jene Kleinigkeiten, die jede
Frau braucht, um glücklich zu sein. „Du gefällst ihr, mein
Sohn“, sagte die Prinzessin. „Ich kenne sie. Ist sie nicht
wirklich nett?“ Und die Prinzessin begann umzuräumen
und Billies Zimmer nachzusehn, und es gab eine furcht-
bare Aufregung. „Wohin soll ich die Blumen stellen?“ —
„Stell sie auf den Toilettentisch!“
Es war kein alter Bordeaux — aber es war ein
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