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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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ganze Zimmer. Ich behielt den Hörer noch ei-
    nen Augenblick in der Hand. „Gottseidank …“ sagte ich. —
    „Ob sie es nun auch tut?“ fragte die Prinzessin, noch ein
    wenig atemlos. „Was hat sie gesagt?“ fragte Billie. Nun war
    sie schon etwas mehr bei der Sache — gar nicht mehr so
    höflich-teilnehmend wie heute nachmittag. Feldzugskame-
    rad Billie … Ich berichtete. Und dann tanzten wir alle drei.
    „Dascha wunnerbor!“ sagte Lydia. „Wann kann ihr Brief
    hier sein? Heute ist Dienstag. Mittwoch … Donnerstag …
    In drei Tagen, wie?“ Wir schrien alle durcheinander und
    waren so vergnügt. In mir war so etwas wie: Wohltun
    schmeckt süß, Rache trägt Zinsen, und liebe deinen Näch-
    sten wie der Hammer den Amboß. „Darf ich die jungen
    Damen auf die Weide treiben?“ Wir gingen zum Essen.
    „Billie!“ sagte ich, „wenn das der alte Geheimrat Goethe
    sähe! Wasser in den Wein! Wo haben Sie denn diese ab-
    scheuliche Angewohnheit her! sagte er zu Grillparzer, als
    der das tat. Oder hat er es zu einem andern gesagt? Aber
    gesagt hat er es.“ — „Ich vertrage nichts“, sagte Billie, und
    ihre Stimme klang, wie wenn ein silberner Ring in ei-
    nen Becher fällt … — „Verträgt Margot vielleicht mehr?“
    fragte die Prinzessin. „Margot …“ sagte Billie und lachte.
    „Ich habe sie mal gefragt, was sie wohl täte, wenn sie be-
    schwipst wäre. Sie war es nämlich noch nie. Sie hat gesagt:
    wenn ich betrunken bin, das stelle ich mir so vor — ich
    liege unter dem Tisch, habe den Hut schief auf und sage
    immerzu Miau!“ Das wurde mit einem sanften Rotwein be-
    gossen; Billie schluckte tapfer, die Prinzessin sah mich an,
    schmeckte und sprach: „Ich mache mir ja nichts aus Rot-
    wein. Aber wenn das der selige Herr Bordeaux wüßte …“
    und dann sprachen wir wieder von Zürich und von dem
    kleinen Gegenstand, und Billie wurde munter, wohl weil
    sie uns Rotwein trinken sah. Die Prinzessin blickte sie
    wohlgefällig von der Seite an.
    Ich gähnte verstohlen. „Na, schickst all een to Bett?“
    fragte die Prinzessin. „Ich schreibe noch den Brief an die
    Frau. Löst ihr nur euer Rätsel!“ Sie lösten. Ich schrieb. Was
    die Schreibmaschine heute nur hatte! Manchmal hat sie
    ihre Nücken und Tücken, das Luder; dann verheddern sich
    die Hebel, nichts klappt, das Farbband bleibt haken, gleich
    schlage ich mit der Faust … „Hö-he-he!“ rief die Prinzes-
    sin herüber. Sie kannte das, und ich schrieb beschämt und
    ruhiger weiter. So, das war fertig. Vielleicht ist der Brief zu
    schwer … Haben wir hier keine Briefschaukel? „Ich bringe
    ihn noch auf die Post!“
    Es regnete. Schön ist das, durch so einen frischen Re-
    gen zu gehn … Wie heißt der alte Spruch? Es gibt kein
    schlechtes Wetter, es gibt nur gute Kleider. Nun, es gibt
    schon schlechtes Wetter; es gibt mißratenes Wetter, es gibt
    leeres Wetter, und manchmal ist überhaupt kein Wetter.
    Der Regen befeuchtete mir die Lippen; ich schmeckte ihn
    und atmete tief: es ist doch hier weiter gar nichts, Ferien,
    Schweden, die Prinzessin und Billie — aber dies ist einer
    jener Augenblicke, an die du dich später einmal erinnern
    wirst: ja, damals, damals warst du glücklich. Und ich war
    es und dankbar dazu.
    Zurück.
    „Na, habt ihr gelöst?“ — Nein, sie lösten noch und wa-
    ren grade in eine erbitterte Streiterei geraten. ‚Vater der
    Kirchengeschichte‘ … sie mußten da irgendeinen Unsinn
    gemacht haben, denn für dieses eine Wort hatten sie noch
    acht Silben übrig, darunter: e-di-son, und obgleich der ja
    nun viel in seinem Leben getan und seine Zeit umgestaltet
    hat: Kirchengeschichte hatte er doch wohl nicht … „Löst
    das nachher!“ sagte ich. „Wann nachher?“ fragte Billie.
    „Da schlafen wir.“ — „Billie schläft überhaupt heute bei
    mir“, sagte die Prinzessin. „Du kannst nebenan in der Ke-
    menate schlafen!“ — „Hurra!“ riefen die beiden. „Macht
    es Ihnen etwas?“ fragte mich Billie. „Aber …!“ Und sie lief
    davon und holte ihre Sachen, jene Kleinigkeiten, die jede
    Frau braucht, um glücklich zu sein. „Du gefällst ihr, mein
    Sohn“, sagte die Prinzessin. „Ich kenne sie. Ist sie nicht
    wirklich nett?“ Und die Prinzessin begann umzuräumen
    und Billies Zimmer nachzusehn, und es gab eine furcht-
    bare Aufregung. „Wohin soll ich die Blumen stellen?“ —
    „Stell sie auf den Toilettentisch!“
    Es war kein alter Bordeaux — aber es war ein

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