Schloß Gripsholm
vorhin nicht gewußt! Aber wohin gehört chrys-
chrys …“ — „Ich auch!“ Nun lag ich halb auf dem Bett,
bei der Prinzessin, und starrte angestrengt auf die Blei-
stiftschreiberei. „Chrysopras!“ sagte ich plötzlich. „Chry-
sopras! Gebt mal her!“ Die beiden schwiegen bewundernd,
und ich genoß meine lexikalische Bildung. Wir horchten.
Ein Windstoß fuhr gegen die Scheiben, draußen trom-
melte der Nachtregen. „Kalt ist das …“ sagte ich. „Komm
zu mir!“ sagte die Prinzessin. „Du erlaubst doch, Billie?“
Billie erlaubte. Ganz still lag ich neben der Prinzessin.
„Gestalt aus Shakespeares ‚Sturm‘ …“ Allmählich rann
die Wärme Lydias zu mir herüber. Mir lief etwas leise den
Rücken hinunter. Billie rauchte und sah an die Decke. Ich
legte meine Hand hinüber — sie nahm sie und streichelte
mich sanft. Ihr Ring blitzte matt. Noch lagen wir beieinan-
der wie junge Tiere — wohlig im Zusammensein und froh,
daß wir beisammen waren: ich in der Mitte, wie gebor-
gen. Billie fing an, in der Kehle zu knurren. „Was knurrst
du da?“ sagte Lydia. „Ich knurre“, sagte Billie. Gestalt
aus Shakespeares ‚Sturm‘ … War es das Wort? Das Wort
Sturm? Wenn Bienen andre Bienen zornig summen hören,
werden sie selber zornig. War es das Wort Sturm? Oben in
den Schulterblättern begann es, ich dehnte mich ein ganz
klein wenig, und die Prinzessin sah mich an. „Was hast
du?“ Niemand sagte etwas. Billie knackte mit meinen Nä-
geln. Wir hatten das Blatt sinken lassen. Es war ganz still.
„Gib mal Billie einen Kuß!“ sagte die Prinzessin halb-
laut. Mein Zwerchfell hob sich — ist das der Sitz der Seele?
Ich richtete mich auf und küßte Billie. Erst ließ sie mich
nur gewähren, dann war es, wie wenn sie aus mir tränke.
Lange, lange … Dann küßte ich die Prinzessin. Das war
wie Heimkehr aus fremden Ländern.
Sturm.
Als Zephir begann es — wir waren ‚außer uns‘, denn
jeder war beim andern. Es war ein Spiel, kindliche Neugier,
die Freude an einer fremden Brust … Ich war doppelt, und
ich verglich; drei Augenpaare sahen. Sie entfalteten den
Fächer: Frau. Und Billie war eine andre Billie. Ich sah es
mit Staunen.
Ihre Züge, diese immer ein wenig fremdartigen Züge,
lösten sich; die Augen waren feucht, ihre Gespanntheit
wich, und sie dehnte sich … Der Pyjama erblühte bunt.
Nichts war verabredet, alles war wie gewohnt — als müßte
es so sein. Und da verloren wir uns.
Es war, wie wenn jemand lange mit seinem Bobsleigh
am Start gestanden hatte, und nun wurde losgelassen —
da sauste der Schlitten zu Tal! Wir gaben uns jenem, der
die Menschen niederdrückt und aufhebt, zum tiefsten
und höchsten Punkt zugleich … ich wußte nichts mehr.
Lust steigerte sich an Lust, dann wurde der Traum klarer,
und ich versank in ihnen, sie in mir — wir flüchteten aus
der Einsamkeit der Welt zueinander. Ein Gran Böses war
dabei, ein Löffelchen Ironie, nichts Schmachtendes, sehr
viel Wille, sehr viel Erfahrung und sehr viel Unschuld.
Wir flüsterten; wir sprachen erst übereinander, dann über
das, was wir taten, dann nichts mehr. Und keinen Augen-
blick ließ die Kraft nach, die uns zueinander trieb; keinen
Augenblick gab es einen Sprung, es hielt an, eine starke
Süße erfüllte uns ganz, nun waren wir bewußt geworden,
ganz und gar bewußt. Vieles habe ich von dieser Stunde
vergessen — aber eins weiß ich noch heute; wir liebten
uns am meisten mit den Augen.
„Mach das Licht aus!“ sagte Lydia. Das Licht erlosch,
erst die große Krone im Zimmer, dann das Lämpchen auf
dem Nachttisch.
Wir lagen ganz still. Am Fenster war ein schwacher
Schein. Billies Herz klopfte, sie atmete stark, die Prinzessin
neben mir rührte sich nicht. Aus den Haaren der Frauen
stieg ein Duft auf und mischte sich mit etwas Schwachem,
was die Blumen sein mochten oder das Parfum. Sanft löste
sich Billies Hand aus der meinen, „Geh“, sagte die Prinzes-
sin, fast unhörbar.
Da stand ich nebenan im Zimmer Billies und sah vor
mich hin. Kikeriki — machte es ganz leise in mir, aber das
war gleich vorbei, und ein starkes Gefühl der Zärtlichkeit
wehte zu denen da hinüber. Ich legte mich nieder.
Sprachen sie? Ich konnte es nicht hören. Ich stand wie-
der auf und kroch unter die Dusche. Eine süße Müdigkeit
befiel mich — und ein fast zwanghafter Trieb, hinzugehen
und ihnen Rosen auf die Decke … wo bekommt man denn
jetzt nachts
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