Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
Vom Netzwerk:
Sie
    bitten … Das wollten Sie mir sagen?“ fügte sie höhnisch
    hinzu. „Nun … behandeln Sie denn alle Kinder so? Man
    muß manchmal streng sein, gewiß, aber die Kinder so zur
    Verzweiflung treiben …“ — „Wer treibt hier die Kinder
    zur Verzweiflung! Erziehen Sie Ihre Kinder, verstehen Sie!
    Wenn Sie mit der Dame da welche haben! Dieses hier er-
    ziehe ich!“ — „Ga hen und fleut die Hühner und verget
    den Hahn nich!“ murmelte die Prinzessin. „Was sagten
    Sie?“ fragte Frau Adriani. „Nichts.“ — „Ich habe meine
    Grundsätze. Solange ich die Macht über das Kind habe …“
    Ich sah ihr fest in die Augen … einen Augenblick lang
    noch ließ ich sie zappeln in ihrer wahnwitzigen und un-
    geduldigen Wut. Immer liefen ihre flinken Augen von uns
    zu dem Kind und wieder zurück, sie wartete auf das Kind.
    Ich überlegte, wieviel Menschen auf der Welt in der Ge-
    walt solcher da sein mochten, und wie das nun wäre, wenn
    wir ihr das Kind wirklich überlassen müßten, und was die
    andern Kinder hier auszustehen hätten … „Also — jetzt
    werde ich das Nötige in die Wege leiten …“ Frau Adriani
    stand auf. Da packte ich zu.
    „Das Kind wird nicht bei Ihnen bleiben“, sagte ich.
    „Waaas — ?“ brüllte sie und stemmte die Arme in die
    Seite. „Wir nehmen das Kind zu seiner Mutter zurück. Hier
    ist ein Brief von Frau Collin, hier ist ein Scheck … wir wer-
    den gleich bezahlen …“
    Über das Gesicht der Frau lief wie eine Welle überko-
    chende Milch ein Schreck; man sah, wie es in ihr dachte;
    man hörte sie denken, sie glaubte nicht. „Das ist nicht
    wahr!“ — „Doch, das ist wahr. Nun kommen Sie nur —
    setzen Sie sich wieder hin … ich werde Ihnen das alles
    hübsch der Reihe nach übergeben.“ — „Du gehst nach
    oben!“ herrschte sie das Kind an. „Das Kind bleibt hier“,
    sagte ich. „Das ist der Brief. Die Unterschrift ist beglau-
    bigt.“ Frau Adriani riß ihn mir aus der Hand.
    Dann warf sie ihn der Prinzessin vor die Füße. „Das ist
    der Dank!“ schrie sie. „Das ist der Dank! Dafür habe ich
    mich um diesen verwahrlosten Balg gekümmert! Dafür
    habe ich für sie gesorgt! Aber das … das haben Sie der
    Frau Collin eingeredet! Sie haben sie aufgehetzt! Sie ha-
    ben mich verleumdet! Das werde ich … Raus! Sie …!“ —
    „Wir nehmen also das Kind gleich mit. Sie werden augen-
    blicklich die Sachen packen lassen und mir die Rechnung
    übergeben. Dafür bekommen Sie gegen Quittung diesen
    Scheck. Er ist auf Stockholm ausgestellt.“ Geld! Geld war
    im Spiel! Die Frau blendete über und wechselte sofort die
    Tonlage. Sie sprach viel ruhiger, kälter — sehr fest.
    „Die Rechnung kann ich im Augenblick nicht machen.
    Das Kind hat mir vieles zerbrochen, da sind Schadenersatz-
    ansprüche. Selbstverständlich muß bis zum Quartalsende
    gezahlt werden — das ist so ausgemacht. Selbstverständ-
    lich. Und dann muß ich erst zusammenstellen lassen, was
    hier alles im Haus durch die Schuld dieses Mädchens ent-
    zweigegangen ist. Das dauert mindestens eine Woche.“ —
    „Sie schreiben mir jetzt eine Quittung über den Scheck aus;
    er deckt die Kosten bis zum Vierteljahrsschluß, dann blei-
    ben noch zweiundfünfzig Kronen übrig … über den Rest
    werden Sie sich mit Frau Collin einigen. Das Kind kommt
    mit uns mit.“ Das Kind hatte aufgehört zu weinen, es sah
    fortwährend von einem zum andern und ließ die Prinzes-
    sin keinen Augenblick los, keinen Augenblick.
    Frau Adriani sah auf den Scheck, den ich in der Hand
    hielt. „Mit Geld allein ist die Sache nicht abgetan!“ sagte
    sie. „Immerhin … Warten Sie.“ Sie ging. Die Prinzessin
    nickte befriedigt. Die Frau kam wieder.
    „Sie hat einen Schrank ruiniert … sie hat ein Fenster
    kaputt gemacht; das Fenster war von innen abgeriegelt, sie
    muß da etwas hinausgeworfen haben … das macht … ich
    habe auch noch eine Wäscherechnung …“ — „Nun ist es
    genug“, sagte ich. „Sie bekommen nun gar nichts, und dann
    nehmen wir das Kind mit, auch ohne seine Sachen — oder
    aber Sie schreiben mir eine Quittung über den Scheck aus,
    und dann liefern Sie uns alle Sachen aus, die dem Kind
    gehören,“ — Frau Adriani machte eine Bewegung — „alle
    Sachen, und dann bekommen Sie Ihr Geld. Nun?“
    Sie ringelte sich; man fühlte, wie es in ihr gärte und
    wallte … aber da war der Scheck! da war der Scheck! Psy-
    chologie ist manchmal sehr einfach. Nein, so einfach war
    sie doch

Weitere Kostenlose Bücher