Schloß Gripsholm
Sie
bitten … Das wollten Sie mir sagen?“ fügte sie höhnisch
hinzu. „Nun … behandeln Sie denn alle Kinder so? Man
muß manchmal streng sein, gewiß, aber die Kinder so zur
Verzweiflung treiben …“ — „Wer treibt hier die Kinder
zur Verzweiflung! Erziehen Sie Ihre Kinder, verstehen Sie!
Wenn Sie mit der Dame da welche haben! Dieses hier er-
ziehe ich!“ — „Ga hen und fleut die Hühner und verget
den Hahn nich!“ murmelte die Prinzessin. „Was sagten
Sie?“ fragte Frau Adriani. „Nichts.“ — „Ich habe meine
Grundsätze. Solange ich die Macht über das Kind habe …“
Ich sah ihr fest in die Augen … einen Augenblick lang
noch ließ ich sie zappeln in ihrer wahnwitzigen und un-
geduldigen Wut. Immer liefen ihre flinken Augen von uns
zu dem Kind und wieder zurück, sie wartete auf das Kind.
Ich überlegte, wieviel Menschen auf der Welt in der Ge-
walt solcher da sein mochten, und wie das nun wäre, wenn
wir ihr das Kind wirklich überlassen müßten, und was die
andern Kinder hier auszustehen hätten … „Also — jetzt
werde ich das Nötige in die Wege leiten …“ Frau Adriani
stand auf. Da packte ich zu.
„Das Kind wird nicht bei Ihnen bleiben“, sagte ich.
„Waaas — ?“ brüllte sie und stemmte die Arme in die
Seite. „Wir nehmen das Kind zu seiner Mutter zurück. Hier
ist ein Brief von Frau Collin, hier ist ein Scheck … wir wer-
den gleich bezahlen …“
Über das Gesicht der Frau lief wie eine Welle überko-
chende Milch ein Schreck; man sah, wie es in ihr dachte;
man hörte sie denken, sie glaubte nicht. „Das ist nicht
wahr!“ — „Doch, das ist wahr. Nun kommen Sie nur —
setzen Sie sich wieder hin … ich werde Ihnen das alles
hübsch der Reihe nach übergeben.“ — „Du gehst nach
oben!“ herrschte sie das Kind an. „Das Kind bleibt hier“,
sagte ich. „Das ist der Brief. Die Unterschrift ist beglau-
bigt.“ Frau Adriani riß ihn mir aus der Hand.
Dann warf sie ihn der Prinzessin vor die Füße. „Das ist
der Dank!“ schrie sie. „Das ist der Dank! Dafür habe ich
mich um diesen verwahrlosten Balg gekümmert! Dafür
habe ich für sie gesorgt! Aber das … das haben Sie der
Frau Collin eingeredet! Sie haben sie aufgehetzt! Sie ha-
ben mich verleumdet! Das werde ich … Raus! Sie …!“ —
„Wir nehmen also das Kind gleich mit. Sie werden augen-
blicklich die Sachen packen lassen und mir die Rechnung
übergeben. Dafür bekommen Sie gegen Quittung diesen
Scheck. Er ist auf Stockholm ausgestellt.“ Geld! Geld war
im Spiel! Die Frau blendete über und wechselte sofort die
Tonlage. Sie sprach viel ruhiger, kälter — sehr fest.
„Die Rechnung kann ich im Augenblick nicht machen.
Das Kind hat mir vieles zerbrochen, da sind Schadenersatz-
ansprüche. Selbstverständlich muß bis zum Quartalsende
gezahlt werden — das ist so ausgemacht. Selbstverständ-
lich. Und dann muß ich erst zusammenstellen lassen, was
hier alles im Haus durch die Schuld dieses Mädchens ent-
zweigegangen ist. Das dauert mindestens eine Woche.“ —
„Sie schreiben mir jetzt eine Quittung über den Scheck aus;
er deckt die Kosten bis zum Vierteljahrsschluß, dann blei-
ben noch zweiundfünfzig Kronen übrig … über den Rest
werden Sie sich mit Frau Collin einigen. Das Kind kommt
mit uns mit.“ Das Kind hatte aufgehört zu weinen, es sah
fortwährend von einem zum andern und ließ die Prinzes-
sin keinen Augenblick los, keinen Augenblick.
Frau Adriani sah auf den Scheck, den ich in der Hand
hielt. „Mit Geld allein ist die Sache nicht abgetan!“ sagte
sie. „Immerhin … Warten Sie.“ Sie ging. Die Prinzessin
nickte befriedigt. Die Frau kam wieder.
„Sie hat einen Schrank ruiniert … sie hat ein Fenster
kaputt gemacht; das Fenster war von innen abgeriegelt, sie
muß da etwas hinausgeworfen haben … das macht … ich
habe auch noch eine Wäscherechnung …“ — „Nun ist es
genug“, sagte ich. „Sie bekommen nun gar nichts, und dann
nehmen wir das Kind mit, auch ohne seine Sachen — oder
aber Sie schreiben mir eine Quittung über den Scheck aus,
und dann liefern Sie uns alle Sachen aus, die dem Kind
gehören,“ — Frau Adriani machte eine Bewegung — „alle
Sachen, und dann bekommen Sie Ihr Geld. Nun?“
Sie ringelte sich; man fühlte, wie es in ihr gärte und
wallte … aber da war der Scheck! da war der Scheck! Psy-
chologie ist manchmal sehr einfach. Nein, so einfach war
sie doch
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