Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
ich. »Sag mir, wo Tarek steckt!«
»Hä? Hab ich doch gerade. Am Bahnhof. Also nicht auf Gleis 1, falls
du das jetzt denkst. Du musst den Bahnsteig ein Stück weiterlaufen, dann kommen
so Schuppen, und in dem ersten von denen sitzen sie.«
»Wer?«
»Na, Tarek und ein paar andere.«
»Du sprichst von den Schuppen auf der Kirchheimer Seite, richtig?«
»Wo sonst? Auf der Rohrbacher Seite gab es noch nie einen Schuppen.«
Brutschs gelassener Ton brachte mich schier zur Raserei. Musste der hier den Besserwisser
spielen? Und ob der unter Drogen stand, der Typ!
»Okay, Brutsch. Bist du noch am Bahnhof? Kannst du mir den Schuppen
zeigen?«
»Tut mir leid. Dringende Geschäfte. Viel Erfolg, Max!«
»Du mich auch«, presste ich zwischen den Lippen hervor. Ich hätte dem
Jungen für seine Informationen die Füße küssen sollen, stattdessen wünschte ich
ihm die Pest an den Hals. Keine Ahnung, warum! Musste wohl an seinen Schuhen liegen.
Zum S-Bahnhof Kirchheim war es ein Katzensprung. Vor mir lagen die
Sportplätze, und die wiederum erstreckten sich in Nord-Süd-Richtung entlang der
Bahntrasse, die Rohrbach und Kirchheim trennte. Etwa 500 Meter weiter nördlich wurde
der Verkehr über eine Brücke in den Nachbarstadtteil geführt. Dorthin radelte ich
nun, so schnell ich konnte. Rechter Hand, in einem der letzten Häuser auf Rohrbacher
Boden, war die Polizeidienststelle Süd untergebracht. Schon wieder ein Streifenwagen!
Diesmal hielt er mit laufendem Motor auf dem Bürgersteig.
Auf dem höchsten Punkt der Brücke stoppte ich kurz. Das Geländer war
zusätzlich durch mannshohe Glaswände gesichert. Rechts und links führten Treppen
zu den Gleisen hinab. Alle übrigen Bahnanlagen, von denen keine mehr in Betrieb
war, befanden sich auf Kirchheimer Seite. Am ehemaligen Bahnhofsgebäude prangte
das Schild einer Pizzeria, die daran anschließenden Holzschuppen standen leer oder
dienten verschiedenen Firmen als Lagerhallen. Vor einer halben Stunde war ich schon
einmal hier gewesen und vor einigen Tagen ebenfalls. Der Bahnhof sah eigentlich
immer gleich aus. Wehe, wenn Brutsch mich angelogen hatte!
Hinter der Brücke folgte ich einer weitläufigen Rechtskurve zur Pizzeria
hinunter. Alles ruhig. Ich stellte mein Rad ab und ging zu Fuß weiter. Auf der ehemaligen
Verladefläche des Bahnhofs lagen noch alte Schienen, die zu den Schuppen und weiter
in ein Gewerbegebiet führten. Heute diente das schmale Areal als Teil eines Fahrradwegs
vom südlichen Kirchheim ins Stadtzentrum. Grobes Kopfsteinpflaster, das einen kräftig
durchschüttelte.
Jetzt war ich ganz nah am ersten Schuppen. Immer noch kein Laut zu
hören. Aber das Ding war groß; wer weiß, in welcher Ecke oder welchem Raum sich
die Jungs verbargen. Eigentlich totaler Blödsinn, sich allein hierher zu wagen.
Einer gegen drei! Oder zweieinhalb, wenn man Fikret nicht ernst nahm. Vielleicht
auch gegen mehr. Brutsch hatte schließlich von Tarek und ein paar anderen gesprochen.
In diesem Moment läutete mein Handy. Ich bekam einen Adrenalinschub
von der Wucht eines Magenschwingers. Wie der Blitz rannte ich zurück und verbarg
mich hinter einer Anzeigentafel. Verdammtes Telefon! Das hatte ich nun davon, dass
ich es nach Covets Anschiss nicht mehr ausschaltete. Nie wieder würde ich auf diesen
Schwätzer hören!
»Du dämlicher, selbstverliebter, whiskysaufender Schwachkopf!«, presste
ich zwischen den Zähnen hervor. Nie, nie wieder!
Okay, wenn in diesem Moment eine riesenhafte Hand ›Du Amateur‹ an den
wolkigen Heidelberger Himmel geschrieben hätte, wäre das auch in Ordnung gewesen.
Der arme Marc musste bloß als Prügelknabe herhalten, damit ich mich nicht selbst
zerfleischte. Anschleichen mit betriebsbereitem Handy – ging es noch dilettantischer?
Aber da war keine Hand. Nur ich, der auf das Display starrte. Stand
da nicht Steves Nummer?
»Was ist?«, zischte ich.
»Hi, Max!«, meldete sich Steve kauend. »Du, ich bin gerade bei Fred
und genehmige mir ein Feuerwürstchen. Wo steckst du?«
»Am Kirchheimer Bahnhof«, flüsterte ich. Drüben traten zwei Personen
vor den Schuppen, eine kleine und eine größere. »Kannst du kommen? Aber schnell!«
»Okay«, antwortete er. »Eine Minute.« Ende des Gesprächs. Auf Steve
konnte man sich verlassen, er kapierte rasch. Jetzt das Handy auf stumm gestellt.
Die zwei vor dem Schuppen blickten sich suchend um. Sofort zog ich
den Kopf zurück. Der Kleinere von beiden war Fikret, so viel hatte ich erkannt.
Der andere
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