Schluessel zur Hoelle
das Zimmer, fanden aber nichts – nicht einmal einen Koffer. Als sie auf den Korridor traten, hörten sie durch die gegenüberliegende Tür wieder das schrille Lachen, und Orsini runzelte nachdenklich die Stirn.
»Fragen kostet nichts«, meinte Chavasse.
Der Italiener klopfte. Das Lachen verstummte, und eine Frauenstimme rief: »Ich hab jetzt keine Zeit. Komm später.« Orsini hämmerte an die Tür. Sie hörten Schritte, und dann wurde die Tür aufgerissen. Die Frau, die vor ihnen stand, war klein und dick und hatte feuerrotes Haar. Der schwarze Nylonmantel, den sie trug, verhüllte kaum ihren üppigen Busen. Offensichtlich kannte sie Orsini, denn ihr wütendes Gesicht verzog sich zu einem freundlichen Lächeln.
»Oh, Giulio. Lange nicht gesehen.«
»Zu lange, cara«, sagte er und tätschelte ihre Wange. »Du wirst immer hübscher. Mein Freund und ich wollten zu dem Mann im Zimmer gegenüber, aber er scheint nicht da zu sein.«
»Ach, der«, sagte sie angewidert. »Sonst hockt er doch die ganze Zeit in seinem Zimmer. Ein unsympathischer Kerl. Grüßt nicht mal, wenn man ihn auf dem Gang trifft.«
»Er muß blind sein«, sagte Orsini galant.
»Vorhin waren zwei Männer bei ihm«, sagte sie. »Sie müssen Krach miteinander gehabt haben – es ging ziemlich laut zu. Ich hab gesehen, wie sie mit ihm weggegangen sind. Sie haben ihn gestützt. Er war ziemlich blaß.«
»Sind Sie gar nicht auf die Idee gekommen, die Polizei zu holen?«
»Diesen Schweinehund von einem Sergeant würde ich nicht mal vom Galgen abschneiden.« Aus dem Zimmer rief wütend eine Männerstimme. Sie grinste. »Manche sind schrecklich ungeduldig.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Chavasse.
Sie lächelte. »Sie sind mir ausgesprochen sympathisch. Bring ihn doch mal mit, Giulio. Wir feiern dann ‘ne Party mit allen Schikanen.«
»Ich ruf dich an«, sagte Orsini.
Der Mann im Zimmer rief wieder ungeduldig, und sie hob verzweifelt die Augenbrauen und schloß die Tür.
Orsini und Chavasse gingen die Treppe hinunter und traten auf die Straße. Der Italiener zündete sich eine Zigarre an und warf das Streichholz ins Dunkel.
»Was nun?«
Chavasse zuckte die Achseln. »Wir können nicht viel tun. Am besten, ich leg mich erst mal ein paar Stunden aufs Ohr.«
Orsini nickte. »Ja, geh in dein Hotel und paß auf das Mädchen auf. Daß mir aber keine Klagen kommen. Morgen früh wird uns schon was einfallen.« Er klopfte Chavasse auf die Schulter. »Keine Sorge, Paul. Wir werden die Sache schon schaukeln.«
Er verschwand im Nebel, und während Chavasse ihm nachblickte, packte ihn plötzlich eine tiefe Müdigkeit. Seine Schritte hallten in der engen Gasse, als er weiterging. An der nächsten Ecke blieb er stehen und holte eine Zigarette hervor.
Als er das Streichholz anzündete, spürte er plötzlich, wie sich etwas Nadelspitzes durch die Jacke in seinen Rücken bohrte. Eine Stimme sagte leise: »Keine Bewegung, bitte, Mr. Chavasse.«
Hände glitten über seinen Körper und tasteten ihn nach einer Waffe ab.
»Jetzt gehen Sie weiter, aber drehen Sie sich nicht um. Tun Sie genau, was ich Ihnen sage. Ich würde es zutiefst bedauern, wenn ich Sie umbringen müßte.«
Erst im Weitergehen wurde es Chavasse bewußt, und er zuckte zusammen, als hätte ihn ein Schlag getroffen: Die Stimme hatte Albanisch gesprochen.
5
Es waren zwei Männer – er hörte es an den Schritten, die in den engen Gassen widerhallten, als sie durch die Altstadt gingen. Die barsche Stimme des einen, der ihn angesprochen hatte, durchdrang hin und wieder die Stille und befahl ihm, nach rechts oder links abzubiegen. Sonst fiel kein Wort, und die beiden hielten sich ein ziemliches Stück hinter ihm.
Nach fünfzehn Minuten stießen sie auf einen Kai in einem abgelegenen Teil des Hafens. Ein mehrstöckiges altes Haus ragte in die Nacht auf; daneben führte eine steinerne Treppe hinunter zu einem Landungssteg.
Ein altes Patrouillenboot war daran festgemacht. Es sah schäbig und verkommen aus, und vom Rumpf blätterte die Farbe ab. Über das Heck zog sich die verblaßte Inschrift Stromboli - Taranto.
Der Landungssteg lag leer und verlassen im Licht einer einzigen Lampe. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Chavasse drehte sich langsam um und betrachtete die beiden Männer. Der eine war klein und unscheinbar. Er trug einen dicken Pullover und eine tief in die Stirn gezogene Wollmütze.
Der andere
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