Schluessel zur Hoelle
haben, zum Reden zu bringen.«
Chavasse ignorierte die verhüllte Drohung und nahm gelassen eine Zigarette aus der Holzdose auf dem Schreibtisch. »Sie müssen weg?«
»Ja, leider.« Kapo nahm sich ebenfalls eine Zigarette, zündete sie an und warf Chavasse die Streichhölzer zu. Man hätte sie für zwei gute Freunde halten können. »Die Pflicht ruft. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für angeberisch, aber ich kann nicht umhin, den Plan, den wir uns ausgedacht haben, als genial zu bezeichnen. Wie Sie wissen, sitzt Ihr junger Freund Carlo auf der Buona Esperanza und wartet auf Ihre Rückkehr.«
Chavasse sah ihn verständnislos an, und Kapo lächelte. »Ich werde Francesca heute nacht mit dem Motorboot in angemessener Entfernung von der Jacht absetzen. Sie wird in der Morgendämmerung mit Ihrem Schlauchboot aus dem Nebel auftauchen, in etwas derangiertem Zustand, wie ich wohl nicht zu erwähnen brauche.«
»Und eine höchst traurige Geschichte erzählen.«
»Genau. Man wird bei S2 äußerst betrübt sein, wenn man erfährt, daß der tapfere Chavasse und sein Freund Orsini draufgegangen sind.«
»Und Sie glauben, man wird Francesca, ohne irgendwelche Fragen zu stellen, wieder in die Arme schließen?« Chavasse schüttelte den Kopf. »Mein Chef hat eine Nase wie ein Spürhund. Er wird jeden Schritt überprüfen, den sie seit ihrem sechsten Lebensjahr getan hat.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.« Kapo lächelte. »Sie wird nämlich die Schwarze Madonna mitbringen. Die Begeisterung darüber wird so groß sein, daß gar kein solcher Gedanke aufkommt.«
Er hatte recht. Der Plan war gut. Verdammt gut. Kapo lachte übermütig und nickte Taschko zu. »Bringen Sie ihn zu seinen Freunden zurück. Ich werde ihn mir morgen früh, sobald ich da bin, wieder vorknöpfen.«
Chavasse sah Francesca an. Sie hielt seinem Blick einen Moment stand; dann schaute sie weg, und Taschko schob ihn zur Tür. Sie gingen die Treppe hinunter und durch den Korridor zurück.
Kurz vor dem Lagerraum blieb Taschko stehen und zündete sich eine lange russische Zigarette an. Die zwei Soldaten warteten respektvoll in einigem Abstand; anscheinend hatten sie Angst vor ihm.
Er starrte Chavasse böse an. »Ich mache nicht soviel Worte wie der da oben. Ich habe andere Methoden. Das werden Sie bald merken.«
»Da bin ich aber neugierig«, sagte Chavasse ruhig.
Wut flackerte in Taschkos Augen auf. Er trat einen Schritt vor; dann nahm er sich mit sichtlicher Mühe zusammen. Chavasse wollte sich schon abwenden und weitergehen, als plötzlich die rechte Faust des Albaners vorschoß und mit einem schrecklichen Karateschlag die Tür, neben der Chavasse stand, traf. Das zentimeterdicke Holz zersplitterte.
Es gab einen japanischen Professor in London, dessen Kursus Chavasse jedesmal besuchte, wenn er dort war; er konnte drei Bretter auf einmal durchschlagen und war nur halb so groß wie Taschko. Seine Worte klangen Chavasse im Ohr: Geschicklichkeit, Chavasse San. Geschicklichkeit, nicht rohe Kraft, Gott will nicht, daß Brutalität die Erde regiert.
»Stellen Sie sich vor, wie Ihr Gesicht jetzt aussehen würde«, sagte Taschko. »Ich fürchte, Gesicht wäre nicht mehr die richtige Bezeichnung dafür.«
Chavasse ging schweigend weiter. Der eine Soldat sperrte die Tür auf, und sie stießen ihn hinein. Er blickte durch das Gitter in Taschkos kalte Augen.
Der Albaner nickte. »Verlassen Sie sich drauf, wir sprechen uns noch.«
Als seine Schritte auf dem Korridor verhallt waren, wandte Chavasse sich zu den anderen um. Orsini saß mit Liri am Fenster. Sie hatten sich die Decke um die Schultern gelegt, denn es war bitterkalt.
»Was war los?« fragte Orsini.
Chavasse erzählte ihm alles. Als er fertig war, schüttelte Liri den Kopf. »Dieses Weib muß ein Teufel sein.«
»Nein, cara, kein Teufel«, sagte Orsini. »Sie ist nur wie alle diese Menschen davon überzeugt, daß sie den einzig richtigen Weg geht. Und sie hält jedes Mittel für erlaubt, um ihr Ziel zu erreichen.«
»Diese weise Erkenntnis hilft uns leider nicht im mindesten weiter«, sagte Chavasse.
Er setzte sich auf eine Kiste, schlug den Kragen seiner Jacke hoch, verschränkte die Arme und dachte über Francesca Minetti nach. Enrico Noci war also ihr Mann gewesen? Merkwürdig, daß eine Frau von solcher Intelligenz auf so einen Kerl hereingefallen war. Es bewies wieder einmal, wie unzuverlässig Frauen in dieser Beziehung
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