Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Ausgabe der Bunte aufschlagen und mit dem Finger auf eine Seite tippen. Der Satz, auf den der Finger zeigt, enthält die Antwort auf die Frage. Das Ganze fordert natürlich eine gewisse Auslegungsfreude und Interpretationsgabe. Es funktioniert am besten, wenn man etwas angeduselt ist. Und man kann es natürlich nicht mit jedem spielen. Eigentlich geht es nur mit Brigitte.
Sie reicht mir das knallige Heft. Auf dem Cover steht groß: Hat diese Ehe eine Chance? Gemeint sind eine wilde Prinzessin und ihr derzeitiger Mann, ein Zirkusartist, oder Bauarbeiter, oder war er doch Profi-Fußballer? Er schuftet – sie sonnt sich am Strand, heißt es weiter. Warum denn nicht? Ich hätte gegen eine solche Ehe nichts einzuwenden. Ich läge gerne am Strand, während mein Mann arbeitet. Wenn ich sicher sein könnte, dass mein Mann auch wirklich arbeitet und sich nicht seinerseits im Gehölz wälzt. Ich muss wieder an Heiner denken.
»Das Titelblatt zählt nicht. Fang an, stell eine Frage!«, befiehlt Brigitte, die mir meine finsteren Gedanken immer ansieht.
»Okay. Fangen wir mal ganz vorsichtig an: Wo werde ich wohnen?« Ich schließe die Augen, flippe durch die Seiten, schlage das Heft auf, gleite mit dem Zeigefinger über die linke Seite und stoppe im unteren Drittel – da steht erfahrungsgemäß der meiste Text. Ich bin eine erfahrene Oraklerin. Ich öffne die Augen und lese vor: »Schlösser, Palais, Villen hat er gecheckt, aber noch ist kein Mietvertrag unterschrieben.« Es geht um Tom Cruise, der in Berlin einen Film drehen wird.
»Wie langweilig«, stöhnt Brigitte. »Das muss man ja gar nicht mehr deuten. Das ist ja Klartext.«
»Vielleicht habe ich das Orakel unterfordert«, vermute ich. Und denke doch einen Moment sehnsuchtsvoll an eine gemeinsame Villa mit dem Tom Cruise der Massivhaus-Fachverkäufer.
»Lass mich mal!« Brigitte greift nach der Zeitschrift. »Was muss ich tun, um endlich ein Weingut zu bekommen?« Die Antwort des Orakels: »Für den French-Color-Look muss man nicht ins Nagelstudio. Die Lackarbeiten schafft jeder allein.«
Schon wieder eine eindeutige Aussage: Brigitte muss sich eben ranhalten. Sie wird ihr Weingut bekommen. Das ist anscheinend nicht nur ihr und mir klar, sondern auch der Bunte.
»Ich kann doch gar kein Französisch«, stöhnt Brigitte trotzdem. »Und was bitte ist denn der French-Color-Look?«
»Das sieht so aus, als hätte diese Dame hier die Hände zu heiß in Smarties gebadet.«
»Prima«, sagt Brigitte und sieht sich das Foto an, »da kann ich ja sämtliche Nagellackreste verbraten – aus den Achtzigern, Neunzigern und die Besten von heute. Und das soll ein Trend sein?«
»Sieht so aus.«
»Mir fällt dazu eine Frage ein: Liebes Orakel, sollen wir im French-Color-Look zum Feuerwehrball gehen?« Daraufhin erfahren wir, dass die natürliche Sollbruchstelle des Mannes seine Leiste ist.
»Was soll das bedeuten?«
»Ist doch ganz klar«, meint Brigitte, »beim Feuerwehrball klappt jemand zusammen, weil er so hingerissen von unserem French-Color-Look ist. Oder: Die Männer werden uns zu Füssen liegen.«
»Bestimmt«, lache ich. »Aber nun das Wichtigste: Was machen wir mit Monique?« Auch darauf weiß die Bunte eine Antwort: »Jette Joop besitzt die Möpse Emily und Lucky aber auf Veranstaltungen nimmt sie sie ungern mit.«
»Das zielt doch ganz deutlich auf Moniques Nacktkalender-Projekt«, analysiert Brigitte messerscharf und nimmt einen weiteren Schluck Rotwein, »mit dem sie das Aerobic-Center finanzieren will. Eigentlich müsste das heißen: Sie nimmt ihre Möpse gerne zu Veranstaltungen mit. Das ist ein Druckfehler. Oder das Orakel will uns in die Irre führen. Auf jeden Fall hat es was mit Möpsen zu tun.« Brigitte kichert albern.
»Aber was machen wir nun mit Monique?«, will ich wissen.
»Wir besuchen sie.«
»Nee, Brigitte, das ist nicht dein Ernst!« Ich bin schockiert.
»Doch, klar, wir müssen den Feind gründlich studieren. Ich habe gehört, dass sich die Bewerberinnen für den Kalender heute bei Monique treffen.«
»Zu denen wir ja nun kaum gehören«, wende ich ein.
»Noch nicht.«
Ich schüttele entschlossen den Kopf. »Nicht mit mir!« Aber Brigitte startet einen Killermonolog über erfolgreiche Spionagemethoden, an dessen Ende ich so platt bin, dass ich mich sogar widerstandslos zu einem Freeclimbingwettbewerb auf dem Eiffelturm angemeldet hätte. Ich weiß auch nicht, was nun schlimmer wäre: Zu Monique zu gehen oder ungebremst auf Paris hinab
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