Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
mal wieder total verkehrt: Ich wollte doch gar nicht mitmachen! Das flüstere ich Brigitte ins Ohr: »Ich will nicht!«
»Psst!«, ranzt sie mich an. Gemeinsam lauschen wir weiter Moniques Ausführungen, die an einem interessanten Punkt angekommen sind: Die Verteilung der Motive und der Fototermine. Eines muss man ihr lassen: Sie ist gut organisiert. Naja, vielleicht doch nicht so gut, denn es steht bislang doch nur ein Fototermin fest: ihrer. Am Mittwochabend. Im Feuerwehrhaus. »Das hat so eine besonders sinnliche Atmosphäre«, schnurrt Miss Juli. »Diese großen, roten Feuerwehrautos! Diese dicken Schläuche!«
Brigitte grinst. »Das ist ja besser, als ich gehofft habe. Ich habe da auch schon eine Idee ...«, raunt sie mir zu.
Monique hat gesehen, dass wir die Köpfe zusammenstecken, und wirft uns einen strengen Blick zu: »Was gibt es?«
»Tolle Idee, wirklich toll!«, beteuern wir leutselig, wobei das Brigitte deutlich glaubwürdiger gelingt als mir. »Was Besseres wäre uns nie eingefallen!«
Monique wirft uns noch einen skeptischen Blick zu und verteilt dann eine Liste, auf der wir, die zukünftigen Erotik-Kalender-Modelle, den uns zugeteilten Monat, unsere Telefonnummern und Termine, an denen wir Zeit haben, notieren müssen. Der Top-Profifotograf mit einschlägiger Erfahrung in künstlerischer Erotikfotografie würde sich dann bei uns melden und alles weitere absprechen. »Und bis dahin: Keine Bikinistreifen! Aber eine zarte Bräune!«
Ich bin kurz versucht zu fragen, warum Miss November denn unbedingt einen Café-Latte-Teint haben muss, ob da nicht ein anregendes Totenbleich besser käme, doch Brigitte zieht mich schon gen Ausgang. »Wir wissen alles, was wir wissen wollten!«, zischt sie mir zu.
Monique guckt schon wieder misstrauisch. Brigitte wiederholt daher mit betont deutlicher Stimme: »Wir haben ein schlechtes Gewissen, weil wir wissen, dass wir eigentlich früher ins Bett gehen sollten ... Silke braucht doch jetzt wirklich ihren Schönheitsschlaf!«
Monique nickt zustimmend: »Ja, da hast du wohl Recht.« Sie ist nicht gerade unglücklich darüber, uns schon loszuwerden.
»Und wie ist jetzt dein Plan?«, frage ich Brigitte, als die Haustür hinter uns ins Schloss fällt.
»Wir machen Moniques geheimste Phantasien wahr«, grinst sie mich an. »Wir bringen etwas Leben in ihr Miss-Juli-Shooting.«
Auf dem Weg nach Hause komme ich an der Telefonzelle vorbei. Auf dem Telefon liegt ein gehäkeltes Deckchen, darauf steht eine Vase mit einem Blumenstrauß. Das sieht sehr seltsam aus. Graffiti kennt man ja. Aber ein Verschönerungsanschlag? Merkwürdig. Aber auch irgendwie reizend. Wer steckt wohl dahinter?
Heiner schläft. Und schnarcht. Muss unheimlich entspannt sein, der Typ. Hat sich ja auch ordentlich ausgetobt. Ich werfe ihm ein paar verächtliche Blicke zu und zögere. Hätte ich nicht besser bei Brigitte bleiben sollen? Ich muss mir eingestehen: Ich bin aus reiner Gewohnheit nach Hause gegangen. Ohne groß darüber nachzudenken. Vielleicht habe ich auch gehofft, dass Heiner nicht da ist. Aber wo sollte er denn auch sein? Bei Monique im Schrank? Das wäre mir auf jeden Fall lieber. Ich könnte auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen. Aber das ist erstens unbequem, ich sehe gar nicht ein, dass ich als betrogene Arbeitslose auch noch weitere Unannehmlichkeiten ertragen soll, und zweitens ist der Bezug gerade total krümelig und ich müsste erst mal Staubsaugen; das würde Lärm machen, Heiner würde aufwachen, mich zur Rede stellen, seine Eltern würden mit dem Besenstil gegen die Decke klopfen ... der Gedanke ist nicht zu ertragen. Außerdem ist das Schlafzimmer immer noch mein Revier. Also lege ich mich auf meine Seite des Bettes. Als ich mein Kopfkissen aus seinen Klauen befreie, stöhnt Heiner. Denkt wohl an Monique. Soll er es doch genießen, sein Waldbodenabenteuer. Er weiß ja nicht, dass er auch bloß Mittel zum Zweck ist. Ach, ist das alles widerlich. Und gut, dass ich ihn los bin!
Aber ich bin ihn ja noch gar nicht los.
Es ist ja alles wie immer. Nur, dass ich jetzt mehr weiß. Doch noch habe ich keine Ahnung, wie ich damit umgehen werde. Wir liegen da wie eh und je. Heiner auf der rechten Seite, ich auf der linken. Man könnte ein Foto von uns machen und wüsste später nicht, in welchem Jahr es aufgenommen wurde. Äußerlich hat sich nichts verändert. Aber in mir drin brodelt ein Vulkan aus – Spüli. Ja, es fühlt sich an, als würde Spüli durch meine Adern fließen.
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