Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Vorführ-Model deutet sie auf etwas, das aussieht wie ein überdimensionierter Zahnstocherhalter: einen Würfel mit verschieden langen Chromstäbchen darin, die an den Enden farbig vor sich hin funzeln. Dieses Wunderwerk des Geschmacks steht auf einer komplizierten Tischkonstruktion, die sich aus zwei verschiedengroßen, gläsernen Halbkreisen auf einem – natürlich – Chromgestell zusammensetzt. Der kleinere Halbkreis hat Räder, man kann ihn unter den größeren schwenken. Bei dieser Aktion würde allerdings die Lampe geköpft werden. Und das wäre wohl kaum im Sinne der so gar nicht spießigen Besitzerin.
Ich frage mich, warum Monique überhaupt so viel Wert darauf legt, nicht spießig zu sein. Was ist für so eine Frau, die anscheinend Texte aus Möbelprospekten auswendig lernt, überhaupt spießig – außer Angst vor Flecken auf dem Teppich? Sind geregelte Mahlzeiten spießig? Oder ist es spießig, einen Kombi zu fahren? Findet sie mich spießig, weil ich demnächst in einem Fertighaus wohne?
Moment! Erstens: Was interessiert es mich, wie Monique mich findet? Die Meinung dieser Schlampe kann mir doch wirklich egal sein! Und zweitens: Ich werde kein Haus mit Heiner bauen. Nicht, wenn er mir nicht eine gute Erklärung für das liefern kann, was ich gesehen habe. Und was soll das schon für eine Erklärung sein? So was wie: »Schatz, es ist nicht, wie du denkst?« Ach, bitte! Es ist doch immer genau so, wie man denkt. Das weiß ich ganz sicher, zwar nicht aus Erfahrung, aber zumindest aus dem Fernsehen. Ich will keine Frau sein, die auf schlappe Ausreden reinfällt, nur um ihre finanzielle Existenzgrundlage nicht zu verspielen. Verdammt, daran habe ich noch gar nicht gedacht: Mit dem Geld wird es ja jetzt auch eng werden. Kein Job, kein Freund, kein Geld, kein Sex. Keine Zukunftsperspektive. Da wären wir wieder: Willkommen in der Sackgasse!
Doch bevor ich ins dumpfe Brüten verfalle, das sich angesichts des Sofamusters schnell zu einer ernsthaften Depression auswachsen könnte, stupst mich Brigitte an.
Monique klatscht in die Hände: »Meine Damen, meine Damen«, ruft sie geziert, als wäre sie die Herzogin von Soundso und wir ihre Gesellschafterinnen. Alle sehen sie an.
Monique beginnt, ihr Kalendervorhaben ausführlich zu erläutern. Hochglanz soll er werden, die Fotos sollen »künstlerisch wertvoll« sein. Sie habe da auch schon einen Fotografen an der Hand: »Einen Top-Profi, der sogar schon für den Playboy gearbeitet hat.« Die Damen sind beeindruckt.
»Es wird äußerst professionell zugehen«, erklärt Monique und lässt sich dann in einem längeren Monolog über die Strapazen des Model-Daseins aus. »Man muss immer pünktlich sein, stets ausgeschlafen, die zart gebräunte Haut darf keine Bikinistreifen haben.« Auf keinen Fall dürfe man dem Fotografen widersprechen, man müsse Talent fürs Posieren haben und einen starken Ausdruck, man sollte fotogen sein und natürlich sehr zeigefreudig. Die letztgenannte Anforderung lässt die meisten Anwesenden schlucken.
»Für zwölf Kalenderblätter brauche man zwölf Models aber die haben wir ja zum Glück schon allein beisammen«, fährt Monique fort und zählt, mit einem süffisanten Seitenblick zu Brigitte und mir, ihren anwesenden Fanclub durch.
Elf.
Eine fehlt, um das Jahr rund zu machen.
Monique dreht sich suchend um, lässt ihren Blick wie Suchstrahler durch den Raum wandern, als könnte sich in der modernen Wohnwand in zeitloser Buche-Optik noch eine mögliche Modelkandidatin verborgen halten.
»Na, dann ist es ja gut, dass wir vorbeigekommen sind«, meldet sich Brigitte zu Wort und strahlt Monique an. »Silke springt natürlich gerne ein! Du hast ja sicher schon gehört, dass Natalies Freund ihr verboten hat, sich vor der Kamera auszuziehen, oder?« Manchmal erschreckt es mich, wie gut Brigitte informiert ist. Offensichtlich hat Monique nämlich noch nichts davon gehört.
Doch sie fängt sich recht schnell wieder. »Ja? Nun ... das ist schön. Also weiter. Ich werde Miss Juli sein«, verkündet Monique und rückt ihr Glitzergeweih zurecht, »denn ich bin ein Sommertyp! Außerdem habe ich im Juli Geburtstag.« Sofort geht wildes Geschnatter los, wer welchen Monat repräsentieren möchte; vor allem um den Mai und den Juni gibt es heftiges Gezerre. Ich bekomme den unbeliebtesten Monat zugeteilt: den November. Das klingt schon so trübsinnig nach Volkstrauertag. Soll ich mich vielleicht vor dem Kriegerdenkmal räkeln? Irgendwas läuft hier
Weitere Kostenlose Bücher