Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Brigitte neulich daran herumgespielt und alle Einstellungen verändert hat.
Monique scheint der Klingelton vertraut zu sein. Sie hebt den belaubten Schopf und sieht sich suchend nach ihrer Handtasche um, doch Heiner zieht sie wieder zurück und stöhnt: »Nein, Schatz, nicht jetzt. Mach weiter!«
»Aber wenn das nun Kundschaft ist«, wirft Monique ein.
»Ist doch egal«, mault Heiner, und packt Monique an der minimalen Restwäsche, die sie noch trägt. Sie quiekt wie ein aufgescheuchtes Ferkel. »Ohhh, ich bin so scharf auf dich, du geiles Karriereweib!«, grunzt Heiner dazu passend wie ein brünstiger Eber. Er verwickelt Monique in einen animalischen Ringkampf, bei dem der letzte Fetzen Höschen zerreißt.
Das Telefon verstummt. Vor Scham?
Ich bücke mich und stecke mein Handy ein. Bin immer noch vorsichtig, doch die beiden würden es noch nicht mal merken, wenn neben ihnen ein Helikopter landen würde, aus dem ein als Elvis verkleideter Truthahn entsteigen und eine komplette Las-Vegas-Show abziehen würde. Sie haben eben keinen Sinn für die Feinheiten im Leben.
Aber jetzt weiß ich wenigstens, worauf Heiner steht. Auf ein geiles Karriereweib. Da bin ich wohl falsch. Zur Aufmunterung versuche ich, ein wenig an Herrn Wesseltöft zu denken, aber ich bin nicht wirklich in Stimmung. Ich fühle mich wie eine Versagerin.
Ich muss sofort Brigitte sprechen.
4. Kapitel:
Richtfest
Montag, 9. Mai, später
»Klar, komm vorbei«, sagt Brigitte. »Du weißt ja, wo der Schlüssel liegt. Ich bin um fünf bei dir.«
Brigitte ist mein Fels in der Brandung. Seltsam, bis heute morgen dachte ich noch, ich sei selbst der Fels in der Brandung, doch jetzt komme ich mir eher vor wie ein schiffbrüchiges Tretboot.
Ich fische Brigittes Wohnungsschlüssel aus dem Übertopf der Geranie, die einzig zu diesem Aufbewahrungszweck vor der Haustür steht. »Das ist am unauffälligsten. Geranien hat jeder. Sie bieten sich so offensichtlich als Versteck an, dass niemand darauf kommt, dass jemand wirklich so blöd sein könnte, seinen Schlüssel da ernsthaft zu hinterlegen«, ist ihre Theorie. Ich finde ja, das ist ein bisschen naiv um die Ecke gedacht, aber die Kriminalstatistik bestätigt Brigitte: Alle bewahren ihren Schlüssel in den Geranien auf, niemand glaubt, dass jemand anderes das auch macht, und wenn im Dorf eingebrochen wird, dann auf konventionelle Weise, nämlich durch das Kellerfenster oder die Terrassentür.
Die Stunden, bis Brigitte endlich kommt, verbringe ich damit, ihre Süßigkeitenschublade zu leeren. Da sind sogar noch Dominosteine und Lebkuchenherzen drin – es ist mir ein Rätsel, wie die bei Brigitte so lange überleben konnten. Die Schublade scheint eine Art Reservat für vom Aussterben bedrohte Schleckereien zu sein. Aber was machen die Häkelnadel und die braune Wolle darin? Ich nehme eine bereits vollendete Handarbeit genauer in Augenschein: Es ist ein etwas schief geratener ... Dominostein? Ich glaub's ja nicht: Brigitte häkelt jetzt Süßigkeiten! Das scheint ihre neueste Masche zu sein.
Wahllos stopfe ich historische Kalorien in mich herein und blättere dabei in den Zeitschriften, die auf dem Beistelltisch gestapelt liegen. Ein Heft namens Vinum stellt »Deutschlands junge Weinweiber« vor, lauter erfolgreiche Winzerinnen. So eine wäre Brigitte auch gerne. Sie hat ein Ziel, einen Plan. Sie wird dafür sorgen, dass ihre Träume wahr werden. Und ich? Nicht drüber nachdenken!
Unter dem Vinum -Heft liegt eine handgeschriebene Liste. Ich muss grinsen. Die Liste! Oben drüber steht TO DO Vor meinem 30. Geburtstag. Die fünf DIN-A4-Zettel sind eng beschrieben mit Aktivitäten, alphabetisch sortiert von »Alte Apfelsorten retten« über »Bumerang schnitzen« und »Kanuwandern in Skandinavien« bis zum »Zeitkapsel verbuddeln für die Nachwelt«.
Wir haben vor ein paar Jahren gemeinsam beschlossen, solche Listen zu schreiben – und sie auch umzusetzen. Ich bin beim Schreiben allerdings gerade mal bis D gekommen:
Apfelkuchen essen
Bickbeeren suchen
Canasta spielen
Dörrobst zubereiten
Brigitte meinte damals allerdings schon, dass »Apfelkuchen essen« nicht zählt, weil ich das quasi jeden Tag machte – ich hatte da wirklich gerade so eine Phase –, dass ich »Bickbeeren suchen« nicht abhaken dürfte, weil ich das vor Jahren zuletzt gemacht hätte – es sollte sich schließlich nicht um eine Liste mit Kindheitserinnerungen handeln, sondern wir wollten zukunftsorientiert sein. Dasselbe würde für
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