Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
mir zum Probieren gereicht: Eine »bi-elastische Stretchhose in komfortabler Microfaser, die auch von namhaften Designern verarbeitet wird«, in der ich aussehe wie eine Knackwurst, dazu ein »blickdicht gedoppeltes Blusentop« und einen Blazer »aus innovativem Crash-Leinen«. Ich erinnere mich, dass es mir schon als Kind nicht sonderlich viel Spaß gemacht hat, mich zu verkleiden. Ich fühle mich sehr, sehr fremd, und wünsche mir noch viel mehr blickdichtes Doppel, um die zarten, bi-elastischen Leinen, die einst meine Nerven waren, vor einem Crash zu schützen. Diese Modesprache verwirrt mich.
»Ich nehme das authentisch unkomplizierte Original-Ibiza-Kleid«, entscheide ich. »Trotz der Panty Line.«
»Wir hätten dort hinten ein paar sehr schöne StringTangas. Die sehen edel aus, und es zeichnet sich garantiert nichts mehr ab«, empfiehlt Frau Redeker.
Ich habe die Wahl zwischen zehn winzig kleinen Spitzenfähnchen, die aussehen, als hätte meine Oma bei dem Versuch, ein Taschentuch zu umhäkeln, vorzeitig aufgegeben. Ich suche mir die Unterhose – darf man so ein Fast-Nichts überhaupt noch Unterhose nennen? – mit dem meisten Stoff aus. Man bekommt nicht gerade viel Material für sein Geld.
Aber ich will gut aussehen auf dem Feuerwehrball. Man soll mir nicht ansehen, wie mies ich mich fühle. Ich will alles andere als authentisch wirken. Und dafür ist das Kleid gerade richtig. So sehe ich sonst nämlich nie aus. Fünf Meter schwingender Rocksaum können eine Menge Selbstbewusstsein vorgaukeln.
Mit einem gewissen Stolz trage ich meine Beute nach Hause. Nur der String macht mir ein wenig Sorgen. Ich ziehe ihn an und betrachte mich, so gut es geht, im Schlafzimmerspiegel. Ritzenputzer hätte meine Oma diesen Hauch Höschen genannt, der sich zahnseidenartig zwischen meine Hinterbacken drängt und diese in zwei Kontinente teilt, die noch nicht mal ein Handelsabkommen geschlossen haben. Ich frage mich: Wird dieses zarte Folterinstrument einen der oberen Ränge meiner Fehlkauf-Top-Ten belegen? Zurückgeben kann ich es nicht. Erstens möchte ich mir vor Frau Redeker keine Blöße geben, zweitens hätte ich sonst das Problem, dass meine Mutter mir auf dem Feuerwehrball garantiert in regelmäßigen Abständen ein »VPL!« zuzischt, und drittens habe ich schon das Schildchen mit der Waschanleitung herausgetrennt, um nicht wie Monique auszusehen. Ich seufze und betrachte meine fast nackte Rückseite noch einmal im Spiegel. Der Rücken: ganz hübsch. Die Hüften: ausladend. Die Oberschenkel: nicht gerade zierlich, aber auch nicht schwabbelig. Die Waden: würden in der Fußballnationalmannschaft nicht weiter auffallen. Die Fesseln: brauchen High-Heels als akzeptables Lifting. Der Hintern: Wie ein Truthahn im Käfig eines Kanarienvogels. Keine Ahnung, ob mehr Stoff diesen Fleischmassen Einhalt gebieten könnte. Dieser Spitzenschwächling wirkt jedenfalls wie eine zu klein geratene Kaufhaustür am Morgen des Sommerschlussverkaufs. Ein künstlicher Engpass! Vorsätzliche Stoffverknappung! Scheinnotstand! Ich bin mir sicher, dass man mir diesen Mangel an Textilien sogar im Gesicht ansehen wird. Man wird ihn möglicherweise sogar an meiner Stimme hören. Bestimmt schwingt jetzt schon ein spitzenmäßig abgeschnürtes Timbre mit.
Das Telefon klingelt. Ich melde mich wie eine Frau, die nichts als ein knappes Produkt der modernen Dessousindustrie am Leibe trägt: Mit einem tiefergelegten »Hallooooo?«
»Wesseltöft, guten Tag. Spreche ich mit Frau Silke Meiners?«
Ich greife rasch zur Bettdecke, um meine Blöße notdürftig zu verbergen. Okay, in meiner Phantasie hatten wir schon wilden Sex, aber das ist ja nun kein Grund, mich diesem Mann am Telefon nackt zu zeigen.
»Ja«, antworte ich mit möglichst angezogener Stimme. Ich hätte gerne wenigstens ein »Worum geht es denn?« hinzugefügt, aber allein die Tatsache, dass der Protagonist meiner feuchten Träume mich anruft, hat mir die Sprache verschlagen.
»Möchten Sie gerne ein Haus gewinnen?«
»Ja.« Meine Antworten könnten wirklich etwas ausführlicher sein. Bestimmt legt er gleich wieder auf.
»Das ist wunderbar. Ganz wunderbar! Wir verlosen nämlich ein Haus des Typs W2XL Maximum B3.2 ÖSP Primus Luxus. Schlüsselfertig! Und ich wollte Sie auffordern, an unserem Gewinnspiel teilzunehmen. Vielleicht hat Sie meine Nachricht auf Ihrer Handymailbox noch nicht erreicht?«
»Warum gerade ich?« Blöde Frage. Bitte aus dem Protokoll streichen.
»Sie suchen doch
Weitere Kostenlose Bücher