Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
die Lampen auf und verlegt Kabel, während Rolf hin- und hergeht, ein Auge zukneift und mit dem anderen den Raum durch ein Rechteck, dass er aus Daumen und Zeigefingern bildet, betrachtet. Nach einer Viertelstunde ist das Feuerwehrhaus komplett illuminiert.
Brigitte holt eine Super-8-Kamera aus ihrer Umhängetasche und drückt sie mir in die Hand. »Damit nimmst du die Show auf!« sagt sie.
»Und dann zeigen wir ein Best-of auf dem Feuerwehrball«, sage ich und grinse. »Aber wird man das Rattern nicht hören?«
»Keine Sorge«, antwortet Brigitte und zeigt auf den Assistenten, der gerade einen gigantischen Ventilator anwirft. Die Windmaschine erzeugt Verwirbelungen in Moniques Haupthaar und ein lautes Dröhnen. Um das zu übertönen, schaltet Dirk einen Ghettoblaster ein, aus dem hektische Drum-&-Bass-Rhythmen blubbern.
»Nun zeig mal, was du hast, Süße!«, grinst der Fotograf Monique an. Auf diesen Moment hat sie gewartet. Sie streift die Spaghettiträger lasziv über die Schultern und windet sich in einer elegant-frivol gemeinten Bewegung aus dem engen roten Kleid. Darunter trägt sie rote Spitzendessous aus dem örtlichen Modehaus, wie ich unschwer erkennen kann. Sie dreht sich kokett auf ihren hohen goldenen Sandaletten um die eigene Achse.
»Ich habe schon Models mit weniger Cellulitis gesehen«, befindet Rolf.
Monique sagt gar nichts.
»Mach mal den BH weg. Ich will sehen, ob deine Titten hängen.«
Zwar bin ich nicht gerade auf Moniques Seite, doch den Ton finde ich trotzdem nicht passend. Das ist also dieser wahnsinnig professionelle Fotograf, der so unglaublich künstlerische Fotos macht? Ich frage mich: Muss man als Fotograf so sein?
Monique öffnet den BH. Ganz professionell. Ohne Unterstützung sacken ihre Brüste ein paar Zentimeter tiefer, weg vom Kinn, mehr so auf natürliche Höhe. Der Fotograf stöhnt und hält sich theatralisch die Hand vor die Augen, als müsse er sie vor Taubenkacke schützen.
»Da muss Tape ran!«, sagt er zu der Rollkofferfrau gewandt. Die nickt und verzieht sich mit ihrer Ausrüstung in eine Ecke, in der ihr der Assistent schon Tisch, Stuhl, Spiegel und Licht aufgebaut hat.
»Los, los«, seufzt der Fotograf in Richtung Monique und wedelt mit seiner Hand in Gänsescheuchmanier.
Die Rollkofferfrau holt allerlei Tiegelchen, Tübchen und Täschchen aus ihrem Koffer und macht sich daran, Moniques Körper und Gesicht für die Fotoaufnahmen herzurichten. Dafür braucht sie jede Menge Make-up, das sie mit einem Spachtel aufträgt, eine Flasche Babyöl, mit dem sie Monique glasiert wie einen gerade gebackenen Kuchen, und eine Hand voll Glitzerstaub, den sie dekorativ auf ihrem Kunstwerk verteilt. Dann führt sie Monique wie eine Kuh auf einer Auktion dem Fotografen zur Beurteilung vor.
»Hast du nicht was vergessen?«, fragt er schroff.
»Ich dachte, es geht vielleicht ohne.«
»Fürs Denken wirst du nicht bezahlt«, herrscht der Fotograf sie an. Er geht zu ihrem Koffer, nimmt eine große Rolle Pflaster heraus und befiehlt Monique: »Umdrehen. Arme hoch!«
Er reißt ein großes Stück Pflaster von der Rolle; es sieht so aus, als wolle er sie fesseln. Aber dann nimmt er nur eine ihrer Brüste in die Hand, bringt sie in die gewünschte Position, zieht mit der anderen die Haut an der Seite und auf dem Rücken so straff wie möglich zusammen – und fixiert sie mit dem Pflaster. Ich habe ja schon gehört, dass man bei Modeaufnahmen die Klamotten, die den dürren Models zu weit sind, hinten mit ein paar Nadeln zusammen steckt. Aber dass man bei einem Nacktmodell ähnlich verfährt, das ist mir neu. Und ich finde es sehr unangenehm. Das Zuschauen wird mir langsam peinlich, doch ich filme weiter. Gleichzeitig bin ich fasziniert, genau wie Brigitte, deren Mund vor Verwunderung leicht offen steht.
Monique lässt die Prozedur ohne zu Murren über sich ergehen. Nur einmal fragt sie schüchtern: »Sieht man das nicht später auf den Fotos?« und deutet auf den Klebestreifen unter der Achsel.
»Ach, Püppchen, da merkt man mal wieder, dass du überhaupt keine Ahnung von künstlerischer Fotografie hast«, sagt Rolf gönnerhaft. »Das wird doch alles wegretuschiert. Genau so wie deine Cellulitis.«
Monique guckt leicht pikiert, sie hatte wohl gedacht, dass allein ihre natürliche Schönheit schon blendend genug sei.
Brigitte holt ihr Mobiltelefon aus der Tasche, tippt eine Nummer, wickelt dann das Handy in ein Taschentuch und wispert hinein: »Feuer! Die alte Hütte von Peters
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