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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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meine Mutter noch Mini trug, da waren sie sehr stylish. Der Sprecher (er hat eine markige Stimme, die nach mindestens einer Packung Reval am Tag klingt) sagt aus dem Off: »Das UFO-förmige Futuro-Haus wurde 1968 von dem finnischen Architekten Matti Suuronen als Skihütte und Ferienhaus entworfen. Es wurde aus einem besonderen Kunststoff gefertigt, ist vollständig ausgestattet und bietet Platz für acht Personen.«
    Wow, ich bin begeistert. Ein Haus, das man ganz nach Wunsch mal hierhin, mal dorthin transportieren kann vorausgesetzt, man hat den passenden Hubschrauber in der Garage. Auf filigran wirkenden Stelzen steht es in der Gegend herum wie ein nützliches Insekt. Über eine kleine Gangway, die aus dem ovalen Körper ausgeklappt wird, erreicht man das Innere. Es gibt sogar einen – natürlich runden – offenen Kamin in der Mitte.
    Ich bin total euphorisiert von dieser raffinierten Wohnidee. Das ist doch mal etwas ganz anderes als die Häuser aus dem Massivhauspark. So schick!
    »Es wurden weltweit nur insgesamt zwanzig Futuro-Häuser gebaut.« Schade, so wenig nur, denke ich. Dann muss ich los, zu Mutti.
    »Wie siehst du denn aus?« Geradezu herzlich kann man die Begrüßung nicht nennen.
    »Wie immer«, entgegne ich.
    »Das wäre ja schlimm! Du trägst ja Turnschuhe zum Rock. Das sieht plump aus! Du musst sofort andere Schuhe anziehen!« Mutti, die Modepolizei, öffnet die Tür zu ihrem Schuhschrank, zieht ein paar fliederfarbene Kunstledersandalen mit Krokodruck und Pfennigabsatz heraus, überreicht sie mir und befiehlt: »Anziehen!«
    Ich gehorche. Zwar finde ich es demütigend, in diesen tussigen Schuhen herumlaufen zu müssen, zudem mir das noch nicht mal besonders elegant gelingt – ich knicke bei jedem zweiten Schritt nach rechts oder links um –, aber was soll ich machen? Einem Streit über Geschmacksfragen, dem härtesten aller möglichen Streitthemen (Politik ist nichts dagegen), fühle ich mich zurzeit einfach nicht gewachsen. Aus lauter Trotz erzähle ich Mutti nichts von den tollen Futuro-Häusern. Sie würde mich ja doch nicht verstehen.
    Zum Glück ist der Weg zum Modehaus Redeker nicht weit. Der Laden aus den fünfziger Jahren wurde in den Achtzigern modernisiert, das heißt: mit zahlreichen dreieckigen Spiegeln ausstaffiert. Sogar in der Umkleidekabine geht es zackig zu. Die Chefin und zwei Verkäuferinnen stehen schon bereit. Ich eiere hinter Mutti die Treppe hoch und falle der Boutiquebesitzerin in die Arme.
    »Huch!« Sie wankt etwas nach hinten, gegen ein Blusenkarussell.
    »Entschuldigung, Frau Redeker«, sage ich.
    »Macht doch nichts, Silke. Ist ja nichts passiert«, antwortet sie. So ist das hier: Ich sieze, werde aber geduzt. Das kommt daher, dass mich alle schon seit frühester Kindheit kennen. Und wer damals nicht zur Onkel-Tante-Liga gehört, also dem engeren Freundeskreis meiner Eltern, wurde gesiezt. Das ist bis heute so geblieben.
    »Was dürfen wir zeigen«, fragen alle drei Verkäuferinnen im Chor.
    »Wir brauchen etwas Schickes für den Feuerwehrball«, antwortet meine Mutter huldvoll. »Flott und festlich, aber nicht zu aufgedonnert.«
    »An was hattest du denn gedacht?«, fragt Frau Redeker.
    »Ich hätte gerne etwas Klassisches, am liebsten einen Hosenanzug. Für Silke sollte es ein bisschen aktueller sein. Da stelle ich mir eine elegante Schlabberhose mit einem zierlichen Top vor.«
    Ich werde nicht gefragt. Eine elegante Schlabberhose? Was soll das denn sein? Ist das nicht schon ein Widerspruch in sich?
    Ich frage mal nach: »Wie sieht denn eine elegante Schlabberhose aus?«
    »Die ist unten gerafft und aus weichfließendem Material gearbeitet, das kostbar aussieht. So etwas würde deiner Figur schmeicheln«, erklärt Mutti.
    Aha. Darum geht es. Die Problemzonen müssen versteckt werden. Denn Probleme und deren Zonen sind in der heilen Welt nicht gefragt.
    Die Verkäuferinnen beginnen mit der Präsentation: »Hier hätten wir ein zweiteiliges Set aus Longbluse und Hose in Batikcharakter mit harmonischem Farbverlauf und wellenförmigem Druckmotiv. Die legere Bluse ist mit komfortabel überschnittener Schulter und Seitenschlitzen gearbeitet, die Hose hat einen Rundum-Dehnbund. Die Kombination ist in Schilf und Bordeaux erhältlich.« Passend zum Text schwenkt Frau Redeker eine matschgrüne Kreuzung aus Küchenvorhang, Kartoffelsack und Handarbeitsversuch der dritten Grundschulklasse am Bügel und fordert mich auf: »Silke, zieh das doch mal eben über.«
    Als ich aus

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