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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Besseres und würde auf sie herab sehe. Sie wollten, dass ich etwas Anständiges lerne. Ein Freund von einem Bekannten meines Vaters arbeitet bei der Firma hier – so bin ich an meinen Job gekommen. Am Anfang dachte ich noch, dass es vielleicht ganz schick ist, interessanten Menschen schöne Häuser zu verkaufen, in denen sie ihr Leben lang glücklich sind. Aber inzwischen weiß ich: So glücklich, wie es auf den ersten Blick aussieht, sind die meisten gar nicht. Und die Häuser machen es nicht besser. Allerdings können gemeinsame Schulden eine Ehe auch ganz schön haltbar machen. Ich weiß ja nicht, wie das bei Ihnen ist. Aber Ihren Andeutungen nach sind Sie auch nicht glücklich. Wahrscheinlich ist es besser, wenn Sie kein Haus kaufen.« Herr Wesseltöft beendet seinen Monolog, um Butter auf die Toastscheiben, die er sich zurechtgelegt hat, zu schmieren. Vorher hat er sie getoastet, das ist der Trick, damit das ganze Gericht überhaupt schmeckt.
    Meine Augen werden leicht wässrig, weil er meine Situation so genau durchschaut hat.
    »Sie haben Recht!«, schluchze ich höchst dramatisch. »Sie haben ja so Recht! Aber Sie sind auch nicht glücklich. Das kann ich fühlen!« Völliger Blödsinn. Wie sollte ich fühlen, dass jemand anderes unglücklich ist, wo ich mich doch sogar weigere, meinem eigenen bedauernswerten Schicksal fest in die derangierte Fratze zu sehen? Meistens fühle ich nichts – oder Appetit auf etwas Süßes. Und eine gewisse Leere. Man kann wirklich nicht sagen, dass ich mich anderen Menschen besonders sensibel nähere. Ach, welche Selbsterkenntnis! Und was nutzt sie mir? Nichts.
    Wir sind schon längst bei der zweiten Flasche Eierlikör, Herr Wesseltöft schenkt beherzt nach. Dann sieht er mich an und sagt: »Ein bisschen Frieden!« Wir stoßen an.
    »Sie sind ein erstaunlicher Mensch!«, erkennt Hen Wesseltöft und ich fühle mich geschmeichelt. »Sie können gleichzeitig essen und in meine Seele schauen.«
    Leicht verschämt lege ich die Kochschinkenscheibe, die ich gerade ebenso rasch wie die drei sorgfältig zu mundgerechten Paketen gefalteten Schmelzkäsescheiben verschlingen wollte, wieder zur Seite und hefte meinen Blick befangen auf die Ananasdose. Er greift zum Dosenöffner, setzt an und schneidet mit energischen Bewegungen den Deckel ab. Mit einer Gabel fischt er einen Ananasring raus und reicht ihn mir: »Nehmen Sie den als Zeichen meiner Verbundenheit. Und jetzt beginnt der glamouröse Teil des Abends!«
    Herr Wesseltöft schiebt das Blech mit den Hawaii-Toasts in den vorgeheizten High-Tech-Ofen (es ist mir ein Rätsel, wie es ihm gelungen ist, dass Teil korrekt zu bedienen, ich hätte noch nicht einmal die elegant versenkte und verblendete Leiste mit den Schaltern gefunden), hält mir galant den Arm hin und führt mich zur großzügigen Sitzlandschaft, auf die ich mich möglichst attraktiv hinlümmle. Ich bin sehr froh, dass ich heute wieder Jeans trage und kein Ibiza-Kleid. Selbst eine Unterhose, die diesen Namen auch verdient, habe ich an. Ich bin gerüstet. Fühle mich der Situation gewachsen. Er hat mir eben einen Ring geschenkt! Wie romantisch! Okay, es war ein Ananasring aus der Dose, aber es ist doch letztendlich das Symbol, das zählt. Noch nie hat mir jemand einen Ring geschenkt. Also kann ich die Bedeutung gar nicht richtig einschätzen, weil es mir an Erfahrung mangelt. Aber ich werte es mal als, nun ja, bedeutsam. Als Zeichen für eine gemeinsame Zukunft, vorsichtig ausgedrückt.
    Und die beginnt genau in diesem Moment. Da daa da da daa da daaaa da! Eingeläutet durch die Eurovisionsmelodie. Unser Lied!
    Und gleich werden ganz viele weitere »unsere Lieder« folgen. Von Malta bis Serbien-Montenegro wird man sich darum bewerben, das perfekte Lied beisteuern zu dürfen, das die gemeinsame glückliche Zukunft von Herrn Wesseltöft und Silke Meiners stets treu begleitet. Ein Song, der bei unserer Hochzeitsfeier in der Kirche vom Organisten interpretiert wird, ein Song, der noch unsere Enkel wehmütig stimmen wird, weil sie sich dabei an unsere große Liebe erinnern, ein Song, zu dem wir auf unserer Diamanthochzeit Walzer tanzen werden, egal, ob das vom Rhythmus her passt oder nicht. Bis dahin werde ich ja wohl auch Walzer tanzen gelernt haben.
    Fasziniert beobachte ich, wie auf dem Bildschirm eine Sängerin unbestimmter Herkunft von zahlreichen Tänzerinnen mit Tüchern umwirbelt wird, während ihr ohnehin schon bedrohlich tief sitzender Rock in die Kniekehlen zu rutschen

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