Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
ist, dass er von Politik überhaupt keine Ahnung hat und sich nie die Namen der Minister merken kann. Er erfährt von mir, dass mein Verlobter mich betrogen hat (diesmal in der ausführlichen Version), dass ich noch nie in einer Sauna war, weil es mir unangenehm ist, angestarrt zu werden, dass ich meinen Job an einen Geldautomaten verloren habe, dass ich mich nie bürste und es meiner Mutter nie recht machen kann und deswegen ein etwas unausgegorenes Verhältnis zu ihr habe, dass ich mein Leben komplett ändern will und dass ich ihn, Herrn Wesseltöft, wahnsinnig sexy finde. Ups, das hätte ich vielleicht nicht sagen sollen. Zu spät. Nun ist es raus. Der aufregendste Mann, der je ein schlüsselfertiges Haus betreten hat, nimmt mein Gesicht in seine sanften, warmen Hände, beugt sich vor zu mir, kommt näher, immer näher, ich kann jede Pore seiner Haut sehen übrigens sehr schöne Haut –, ich kann seinen sanften Eierliköratem riechen, seine Lippen berühren fast meine und dann –
»Ach, sehen Sie! Die Punktvergabe läuft bereits!« Herr Wesseltöft dreht sich begeistert zum Fernseher um. Ich wäre ja geneigt gewesen, den Grand Prix Eurovision de la Chanson, der inzwischen eigentlich Eurovision Song Contest heißt, für einen heißen Zungenkuss und die Aussicht auf eine Liebesnacht zu verraten. Aber Herr Wesseltöft beweist Prinzipientreue. Erst werden die Ergebnisse abgewartet, dann wird geknutscht. Hoffe ich doch.
Die Balkanstaaten überschütten sich gegenseitig mit Punkten. Es sind erstaunlich viele neue Länder, deren Existenz man kaum ahnte und die man dann doch eher untereinander verfeindet wähnte. Ach, Weltpolitik und Liederwettstreit, das ist mir alles so egal im Moment, mich zieht es zu den schön geschwungenen Lippen des Mannes, der mit kein Haus verkaufen will und neun Hawaii-Toasts gönnt. Ich will knutschen! Hatten wir nicht abgemacht, sofort und deutlich zu sagen, was wir wollen? Von deutlich kann allerdings nach dem ganzen Eierlikör nicht mehr die Rede sein. Trotzdem öffne ich meinen Mund ... doch Herr Wesseltöft kommt mir zuvor. Er nimmt meine Hand und nuschelt: »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
Der Grand Prix ist entschieden, mir ist es egal, wer gewonnen hat, meinetwegen alle, aber wahrscheinlich die Iren, denn die gewinnen ja ganz oft. Die Finalisten singen gemeinsam einen Gospel, und Herr Wesseltöft und ich wanken Hand in Hand die Treppe hinauf, den Sternen entgegen, der Lichthof in der Mitte des Hauses macht es möglich. Ab ins Schlafzimmer, ja, endlich ins Schlafzimmer! »Hallelujah«, tönt es noch aus dem fernen Fernseher, und ich will mich schon auf das breite Bett fallen lassen, doch Herr Wesseltöft zieht mich weiter, über die geheimnisvolle gläserne Brücke.
Wir betreten das exquisite Spezialextra, den besonderen Clou des Designerhauses: den Wellness-Pavillon. Der Mosaikfußboden blendet mich, die Deckchairs wecken Kreuzfahrt-Assoziationen und die Luft ist flirrend heiß. Herr Wesseltöft hat unbemerkt das Dampfbad angeheizt, das bedeutet wohl ... oha, ich muss mich ausziehen.
»Mein Lieblingsfilm ist Frühstück bei Tiffany« , erklärt er mir. »Vor allem die Szene, in denen Audrey Hepburn und George Peppard abwechselnd Dinge tun, die sie noch nie vorher gemacht haben. Als Sie vorhin sagten, Sie seien noch nie in einer Sauna gewesen, kam mir die Idee. Ich verspreche Ihnen auch, dass ich Sie nicht anstarre.« Herr Wesseltöft reicht mir ein großes, weißes, vorgewärmtes und enorm flauschiges Handtuch und deutet auf eine filigrane, mit Rochenhaut bezogene Sichtschutzwand. Ich verstecke mich dahinter so gut wie möglich, während ich mich aus Jeans, T-Shirt und Unterwäsche pelle. Es ist gar nicht so einfach, eine Hose auszuziehen und dabei das Gleichgewicht zu halten. Wie habe ich das eigentlich sonst immer geschafft? Nebenbei versuche ich natürlich, einen Blick auf Herrn Wesseltöft zu erhaschen, ein wenig von seiner köstlichen Haut zu erspähen. Erwähnte ich bereits, dass ich es zwar hasse, angestarrt zu werden, aber dafür sehr gerne selbst Leute anstarre? Obwohl, ich würde es eher beobachten nennen. So oder so, bei derart lohnenden Objekten wie Herrn Wesseltöft bin ich durchaus voyeuristisch veranlagt.
Doch der Mann ist schnell, ganz fix hat er sich das Handtuch um die leckeren Hüften geschlungen. Ich wickele mich in mein kartoffelackergroßes Frottierlaken und begebe mich so graziös wie nur möglich in die Bullenhitze der Dampfsauna. Was für eine
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