Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Abigail
Vom Netzwerk:
wenn ihn nicht alles täuschte, glitzerten Tränen in Ceras Augen. Glückliche, gerührte Tränen. Es widerte ihn an, sie zwangsläufig zu enttäuschen, aber seine Beichte würde warten müssen.
    „ Mehr als alles andere auf der Welt“, wisperte sie und versetzte ihm damit einen emotionalen Stoß, der ihn fast stürzen ließ. Er musste mit beiden Händen in die Rosenranken greifen, um nicht zu fallen.
    „ Aber ich kann nicht einfach fortlaufen. Ich brauche meinen Schlüssel, Valender, ohne kann ich nicht leben. Mein Uhrwerk wird gleich nach der Vorstellung auslaufen und ohne Schlüssel …“
    „ Ich verstehe. Wir müssen ihn irgendwie holen.“
    „ Vielleicht schaffe ich das selbst. Mr Keyman lässt die Schlüssel manchmal liegen. Wir können uns nicht selbst damit aufziehen und haben noch nie versucht, sie an uns zu nehmen. Mit etwas Glück gelingt es mir. Er ist zerstreut in den letzten Tagen, vermutlich , weil Mrs Keyman ihn aus irgendeinem Grund verlassen hat. Nur darf er uns nicht erwischen. Wir wären beide geliefert. Ich, weil ich den Schlüssel gestohlen habe und du, weil du …“
    Weil er sie gestohlen hätte. Der freie Wille einer Puppe war vor Gericht nichts wert, solange sie einen rechtmäßigen Besitzer hatte. Still fluchte Valender auf die konservativen Gesetze.
    Cera schauderte sichtlich, und er hätte eine Welt dafür gegeben, ihr eine Decke über die schmalen Schultern zu legen oder sie ihn seinen Mantel zu hüllen. Aber er hing ja hilflos in den Rosen.
    „ Wir werden ihm entwischen“, murmelte er, den Blick auf seine Blutschlieren auf ihrer hellen Hand gerichtet, sich überzeugt und sicher fühlend wie nie zuvor und zugleich erfüllt von Zweifeln.
    Melissa. Er würde sie verlieren und es würde ihm das Herz zerre i ßen. Aber einen Tod musste er sterben, wenn er Cera befreien wol l te. Wenn man bereit war, für eine Veränderung alles zu tun, durfte man nicht kneifen, wenn alles schmerzte.
    „ Wir verlassen London, fliehen aus England, wenn es sein muss, und kommen nie wieder zurück. Ich bringe dich fort von hier.“
    Ceras Lächeln wärmte ihn und schmolz ein bisschen von dem Eis, das seine Entscheidung und die davon getriebenen Gedanken an seine Schwester in seiner Brust verursachten.
    „ Dann sollten wir an einem späten Abend fliehen, gleich nach der Vorstellung“, sagte Cera. Immer nervöser schienen die Blicke, die sie hinter sich in den Raum warf. „Wenn Mr Keyman glaubt, ich wäre starr, und mich erst am nächsten Abend wieder aufsucht. Wir haben dann Zeit, bis er die Polizei informiert.“
    „ Glaubst du, du gelangst bis morgen Abend an den Schlüssel?“
    Sie neigte unschlüssig den Kopf. „Ich muss den richtigen Moment abwarten. Wenn ich dir nur irgendwie eine Nachricht zukommen lassen könnte.“
    „ Das kannst du. Geh in Mrs Keymans Büro und sprich mit dem Gemälde.“ Er zwinkerte. „Schaffst du das?“
    Entschlossen nickte sie. „Ganz bestimmt. Geh jetzt. Mr Keyman darf nichts merken. Ich werde lauschen, vielleicht höre ich eine Nachtigall. Sie bringt uns Glück.“
    „ Eine Nachtigall?“
    „ Kennst du denn nicht Shakespeares Romeo und Julia?“ Sie lachte, süß und lautlos. „Du erinnerst mich gerade sehr an Romeo, auch wenn ich am Fenster stehe statt auf dem Balkon und das hier nur ein Aufenthaltssalon ist und nicht mein Schlafzimmer.“
    Romeo hatte sich also auch die Hände an den Rosen aufgerissen. Valender kannte weder das Buch noch das Theaterstück, denn Shakespeare war ein Magischer gewesen und damit für ihn tabu. Er hatte so viel verpasst. „Du musst es mir vorlesen, wenn wir endlich Zeit haben“, sagte er schmunzelnd.
    „ Ich spiele es für dich!“ Sie neigte sich vor, so weit, dass er einen Moment befürchtete, sie würde das Gleichgewicht verlieren und hi n ab stürzen. Doch sie hielt sich. Und küsste ihn. So weich und verla n gend zugleich, dass seine Hände sich um die Dornen und Blüten herum zu Fäusten schlossen.
    „ Jetzt geh, gute Nacht!“
    Ihre Nähe war ein süßer Rausch. Es fiel ihm schwer, sich loszure i ßen, er schaffte es nur, weil ihm klar war, dass sie nun keinesfalls Keymans Misstrauen erregen durften. Benommen kletterte er nach unten.
    „ Ach, Valender“, rief sie mit gesenkter Stimme. „Habt ihr etwas über Yasemine herausgefunden?“ Das wusste sie also auch nicht? Er gab sich größte Mühe, sich seine Bestürzung nicht anmerken zu la s sen. Aber er spürte selbst, dass er einen Moment zu lange brauchte, um seine

Weitere Kostenlose Bücher