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Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Abigail
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Geschenk, hatten Vögel ihre Spuren hinterlassen, doch das nahm der Skulptur keineswegs ihre Schönheit. Sie trug ein nac h sichtiges Lächeln auf den Lippen und Stolz in den Augen, als wüsste sie, dass die Tiere ihr nichts Böses wollten und ihr darum auch nicht gefährlich waren. Das plätschernde Wasser glitzerte in ihren weißen Händen. Cera saß am Rand des Brunnens und sah hinein. Valender war weder sicher, ob sie ihn bemerkt hatte, noch, was er in ihrem Gesicht zu sehen glaubte. Schwermut? Zufriedene Freude, die kein aufgesetztes Lächeln brauchte? War sie tief in Gedanken versunken oder so sehr in diesem Moment verankert, dass sie sich kaum losre i ßen konnte?
    Ihre hellbraune Haut und das schwarze Kleid malten scharfe Ko n turen vor den Brunnen. Ihre Augen blieben unter gesenkten Wi m pern beschattet. Der Wind spielte ganz zart mit einer seidigen, dun k len Haarsträhne, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte, und zwang Valender emotional in die Knie. Sie war auf unwirkliche We i se so schön, dass es ihm fast körperliche Schmerzen bereitete. Er spürte, wie er die Zähne zusammenbiss und leise Luft hindurchzog. Ihm wurde begreiflich, warum Wesen wie sie die Menschen ängsti g ten. Ihre Schönheit war zu perfekt, zu klar und zu makellos. Man zuckte unweigerlich zurück und wollte im gleichen Moment näher heran. Man fühlte sich schwach und klein und unwürdig. Vor allem aber wollte man endlos schauen. Man wollte endlos schauen, vergaß zu atmen und zu essen und sah seinem Tod ins Auge, für den Preis, das lebendige Bild länger ansehen zu dürfen. Es war eine Art von Schönheit, das auf Gemälde gehörte, die man betrachten konnte und irgendwann bis ins Detail kannte, ohne dass die Gefahr bestand, dass das Bild sich änderte und man es wieder endlos lang nur anstarren konnte.
    Cera hob den Kopf und lächelte Melissa zu. Sie strich sich eine kleine Haarsträhne aus der Stirn, wobei die Narbe an ihrem Unte r arm in der Sonne bleich schimmerte. Die unwirkliche, distanzierte Ästhetik verschwand und ihre ätherische Schönheit wurde real.
    Valender kämpfte mit dem Drang, sich abzuwenden, als sie für Melissa zu tanzen begann, zur Musik, die das Wasser und das Brummen der Hummeln spielten. Langsame, natürliche Bewegu n gen, die ihm die Sinne weich und unscharf werden ließen. Bewegu n gen, wie die eines Blattes, das lauer Sommerwind umhertrieb; wie die eines Vogels, der in einer Brise schwebte, wie die einer Liebenden, von den Händen eines Mannes bewegt.
    Sie anzusehen, ließ seinen Kopf schmerzen und weckte ein heißes Kitzeln in seinen Lenden, das er kaum auszuhalten glaubte. Sein M a gen fühlte sich leer an und gleichzeitig so, als könnte er nie wieder etwas essen. Es schockierte ihn, dass die Gewissheit, wie verboten und aussichtslos diese Gefühle waren, ihn nur tiefer erregte.
    Ich bin verloren, dachte er, und spürte sich dabei lächeln, als wäre verloren zu sein der Zustand, nach dem er sich sein Leben lang g e sehnt hatte.

Kapitel XIII
     
    Der Nachmittag hatte gefährliche Wunden in seinen Verstand gegr a ben. Valender war sich bewusst, dass er es beenden musste, ehe er bereit war, alles zu riskieren, um Cera nah sein zu dürfen.
    Es hatte einen winzig kleinen Moment gegeben, der ihn davor b e wahrte, Cera seine Gefühle zu gestehen und auf alle Konsequenzen zu pfeifen: Melissa hatte seine Hand gehalten, an seinem Fingernagel geknibbelt und versonnen „Landa“ geflüstert. Landa! Valender – seinen Namen.
    Es war ihr erstes Zweisilbenwort und es war zweifelsfrei sein N a me.
    In letzter Sekunde hatte sie ihn davor bewahrt, etwas Dummes zu tun, was dazu führen würde, dass er sie nie wieder sehen durfte. Herrgott, es war wirklich knapp gewesen. Wie sehr hatte Cera seinen Verstand manipuliert! Er wäre ihr böse gewesen – so böse, wie er noch nie mit einem Menschen war – wenn er nur den geringsten Verdacht gehabt hätte, dass sie es mit Absicht tat.
    Aber so war es nicht. Sie wusste nicht einmal um die Teufelei, die in ihr lebte. Vielleicht war sie selbst ihr größtes Opfer.
    Und das hatte ihn bewogen, zu kommen, und war der einzige Grund, aus dem er nun, zwei Stunden vor Einlass zur Abendvorste l lung, das Portal zum Theaterfoyer so weit öffnete, wie es nötig war, um sich hindurchzuschieben. Er kam sich vor wie ein Eindringling. Außer ihm war niemand in dem großen Saal. Nicht einmal die La m pen hatte man entzündet. Eine trübe Düsternis, die alles in Grau tauchte,

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