Schlüsselherz (German Edition)
in seinem Kopf vorging und in seinem Herzen, schien so klar. Und gleichzeitig so verkehrt. Fehlg e leitet – verzerrt wie in einem Spiegelkabinett. Er konnte keine G e fühle für Cera empfinden, auch wenn sein Herz und sein Hirn d a nach strebten, es ihm begreiflich zu machen, wie sehr sie konnten. Aber, bei Gott, Cera war eine Puppe. Es musste der Zauber sein, mit dem sie zum Leben erweckt worden war, der seine Wirkung nun auch in ihm tat. So funktionierte doch die Faszination der Puppen – durch Zauber; nichts davon war echt. Am Ende nicht einmal Cera.
Und was würde nur sein Vater sagen? Er würde ihm Melissa we g nehmen, in der festen Überzeugung, das Beste für sie zu tun, indem er ihr den Umgang mit ihrem verrückt gewordenen Bruder untersa g te. Denn verrückt … das musste er doch sein, wenn er sich in eine Puppe – in ein Ding – verliebte, oder?
Es tut mir so leid, Cera.
Aber er konnte das einfach nicht.
Als sie zurückkam und ihn fragend ansah, senkte er den Blick und hielt ihn dort, wo er war. Auf dem Teppich, wo irgendwer einmal ein Getränk verschüttet haben musste, das die Reinigungskräfte nicht vollends hatten entfernen können.
Er war ihr dankbar, als Cera das unangenehme Schweigen brach, das sich zwischen ihnen aufbaute wie eine Person – die Mrs Lucius mit demonstrativer Missachtung strafte –, indem sie Bericht erstatt e te, was sie über Nathaniel Charles herausgefunden hatte.
Valender rieb sich die Handflächen an der Hose ab. Cera im Stich zu lassen, stand nicht zur Debatte. Die Ermittlungen führte er zu Ende, das war Ehrensache, schließlich zahlte sie dafür, indem sie für Melissa tanzte. „Fragen wir ihn doch, was es mit den Fälschereien auf sich hat“, sagte er, froh, wieder etwas tun zu können und Mrs Lucius‘ mahnenden Blicken endlich zu entkommen.
Die alte Dame seufzte enttäuscht, als sie sich verabschiedeten und gingen. Valender blickte sich noch einmal um und sah, wie sie mit trübseligem Gesicht auf ihren Hund einsprach, als könnte der ihr eine Antwort geben. Aber von Menschen und Dingen verstanden Hunde, die ein Schienbein oder einen Blumenkübel ebenso begei s tert kopulierten wie eine läufige Hündin, vermutlich nicht sehr viel.
Wenig später waren die unangenehmen Spannungen zwischen Cera und ihm wie fortgeblasen. Sobald es etwas zu tun gab, gelang es ihnen beiden, den Fokus auf ein professionelles Miteinander zu le n ken – und für den Moment galt es, einen Lügner zu überführen.
Nathaniel Charles öffnete die Haustür, an die sie diesmal höflich geklopft hatten, mit dem Ellbogen. Beide Hände waren bis zu den Unterarmen mit Farbe beschmiert.
„ Pinsel werden überbewertet“, erklärte er, als er Ceras fragenden Blick bemerkte. „Bitte folgen Sie mir in mein Atelier, ich möchte meine Arbeit vollenden, ehe die Farbe trocknet.“
Er führte sie eine Treppe hinauf. Das Atelier ging über die gesamte Länge der Villa und verfügte über viele große Fenster und jede Me n ge Gebälk, an dem er seine Utensilien aufgehängt hatte. Zwei Katzen balancierten mit trägen, aber geschickten Bewegungen über sie hi n weg.
Keine Bilder, stellte Valender fest, von denen einmal abgesehen, die halbfertig auf drei Staffeleien aufgebaut waren. Auch im Woh n zimmer des Künstlers hing nicht ein einziges Gemälde. Ob dieser Maler wirklich jedes Werk sofort veräußerte oder nur noch auf einen Auftrag hin anfing? Passen würde es zu ihm, er wirkte nicht wie ein Mann, der nur eine Bewegung machte, wenn sie ihm nichts nützte.
Charles trat gleich wieder an eine seiner Arbeiten heran. Er wandte ihnen den Rücken zu, griff in einen kleinen Tiegel, der mit safrange l ber Farbe gefüllt war, und verrieb sie auf einer Ecke der Leinwand, als arbeitete er eine Würzmischung in die Haut eines Spanferkels ein.
„ Abstrakte Kunst?“, vermutete Valender.
Charles nickte abwesend. „Ja. Man schmiert ein bisschen herum, lässt das Kleinkind im Mann heraus und schaut bei der Vernissage möglichst abstrakt aus der Wäsche. Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, warum die Leute das kaufen, statt selbst ein bisschen zu schmieren. Aber es stört mich auch nicht besonders.“
Cera lächelte wissend. „Vermutlich nicht. Was kostet so ein Bild, Mr Charles?“
„ Zwanzig, fünfundzwanzig, dreißigtausend Pfund. Oder so äh n lich. Manchmal mehr, wenn die Käufer Idioten sind.“
„ Hm.“ Das kleine Geräusch, das Cera machte, klang gefährlich. Valender hatte nicht
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