Schlüsselherz (German Edition)
Neces gestoßen. Bevor die Keymans das Theater kau f ten, stand es lange leer. Weißt du, warum?“
Nathaniel versuchte sich zu erinnern, aber mehr als die Bilder eines verfallenden Theaters gaben seine Kindheitserinnerungen nicht her. Da war noch etwas … Etwas Verbotenes …
„ Mutproben“, murmelte er. „Als ich ein Kind war, galt es als b e liebte Mutprobe, ins Theater zu schleichen. Angeblich gab es viele Verblichene. Wütende Verblichene.“
„ Sehr richtig“, meinte Valender. „Louis Lafayette, der letzte The a terdirektor, war ein gestörter Psychopath. Er soll in einer Nacht alle seine Tänzerinnen bestialisch abgeschlachtet haben, weil das Theater bankrottgegangen war. Aus diesem Grund fanden die Keymans sp ä ter keine Tänzerinnen. Das Bühnenvolk gilt als extrem abergläubisch – niemand wollte in dem verfluchten Theater auftreten. Und nur darum kamen die Keymans zu den Puppen.“
Fürwahr, die Geschichte erklärte die aggressiven Neces. Nathaniel rieselte bei der Erinnerung an sie ein kalter Schauer über die Obe r arme. „Bleibt immer noch das Kreuz als Hinweis.“
„ Ich habe da einen Verdacht“, sagte Valender.
Und Nathaniel fragte nicht länger, sondern holte seinen Mantel.
***
Creaker legte den Hörer auf die Gabel. Seine gesunde Hand zitterte und in der anderen, metallenen brütete ein vernichtender Phanto m schmerz.
Er war außer sich vor Angst und Erregung.
Sein Auftraggeber wechselte seine Meinung so häufig, wie andere Menschen ihre Strümpfe. Vor zwei Wochen erst hatte er ihm den Auftrag weggenommen, weil sich offenbar alles erledigt hatte. Cre a ker war erleichtert gewesen, auch wenn er das Geld gebraucht hätte. Alles war viel schwieriger, als er gedacht hatte.
Seine Zielperson bekam nicht nur Hilfe von dem Buchhändler und dem magischen Maler, nein, schlussendlich hatte sie ihm im Theater noch einen gefährlichen Verblichenen hinterhergejagt. Creaker hatte gerade noch vor ihm fliehen können. Es war ihm nicht gelungen, nah genug an die Zielperson heran zu gelangen, um seinen Auftrag auszuführen. Also hatte er versucht, sie mit einer kleinen „Botschaft“ mürbezumachen , damit sie einen Fehler beging. Irgendwie musste er sie doch überwältigen – der gute Mann, für den Creaker all das Häs s liche tat, brauchte doch das Geld!
Doch am nächsten Morgen hatte der Auftraggeber sich gemeldet und ihm mitgeteilt, dass der Fall abgeschlossen sei. Das Problem habe sich erledigt, sagte er.
Abgeschlossen. Erledigt.
All das schöne Geld! Verloren.
Bloß eine mickrige Aufwandsentschädigung hatte er in dem ve r einbarten Bahnhofsschließfach vorgefunden, das vor Banknoten nur so überquellen sollte. Es reichte kaum, damit der gute Mann seine Kinder für einen Monat satt bekommen würde.
Sehr, sehr verzweifelt war Creaker nach Hause getrottet, vorbei an allen Litfaßsäulen , die er kannte, und an denen in dieser Nacht wi e der keine Arbeitsangebote aushingen. Der gute Mann brauchte das Geld. Creaker war ein Versager, wenn er es nicht b e schaffte. Und nun? Nun hatte das Telefon erneut geklingelt. Und die vielen Ban k noten standen ein zweites Mal im Raum. Diesmal hatte der Auftra g geber sogar noch mehr geboten.
„ Creaker“, hatte er gesagt, „die Puppe muss schweigen. Du b e kommst dein Geld, wenn du sie zum Schweigen bringst. Und du bekommst das Doppelte, wenn du sie mir lebend bringst. Ach, und Creaker. Es eilt nun sehr, denn die beiden Männer, die der Puppe helfen wollten und sie dann im Stich ließen, haben ihre Meinung geändert. Ich muss befürchten, dass sie nach uns beiden suchen. Bring, wenn es denn sein muss, auch sie zum Schweigen, Creaker. Ich habe genug Geld für viele tote Menschen. Enttäusche mich nicht wieder, Creaker. Sonst zahle ich das Geld jemand anderem und sch i cke ihn zu dir nach Haus. Zu dir, Creaker, und deinen süßen, zarten Kinderchen.“
Und da wusste Creaker, dass er den Auftraggeber nicht enttä u schen würde.
Kapitel XVIII
Valender gab sich die größte Mühe, viel selbstbewusster aufzutreten , als er sich fühlte. Einerseits war sein Aktionismus nicht gespielt. Er hatte sich nach langem Nachdenken tatsächlich endlich einmal en t schieden, ein Risiko einzugehen. Melissa selbst hatte ihn dazu g e bracht. In den letzten Tagen hatte sie ihn nicht an sich herangela s sen, war allen Berührungen ausgewichen und mied selbst seinen Blickkontakt. Erst als er sich entschieden hatte, auf die Meinung se i nes Vaters zu
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