Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

aus Höhenflügen bestehen. Da müssen Krisen bewältigt, Durststrecken überwunden, Fehler gemacht, manch Liebgewordenes über Bord geworfen und neue Wege erprobt werden. Wer etwas Neues wagen will, muss zwei Schritte in der Dunkelheit gehen. Manchmal sind es auch drei oder vier. Lernprozesse ohne Schrammen gibt es nicht. Von meinem Mann habe ich gelernt, dass die unermüdliche Suche nach neuen Wegen und Lösungen oft zu ganz überraschenden Ergebnissen führt. Er hat es in unvergleichlicher Weise verstanden, unkonventionelle Ideen mit der Tradition des Hauses Bertelsmann zu verbinden. Das wird auch in Zukunft mein Maßstab sein.

DIE ZUKUNFT DER UNTERNEHMENSKULTUR
    Die Grundwerte unserer Unternehmenskultur, die sogenannten Bertelsmann Essentials 71 , sind sowohl für Gesellschafter wie auch für Führungskräfte und Mitarbeiter verbindlich. Es sind vor allem die Werte der Partnerschaft, der unternehmerischen Freiheit, der Kreativität und der gesellschaftlichen Verantwortung, die unser Handeln leiten. »Schöne Lippenbekenntnisse«, mag da manch einer denken. Doch reine Lippenbekenntnisse wären kaum etwas wert. Der Sinn unserer Unternehmenskultur erwächst aus deren täglicher Umsetzung, aus einer Kultur des Miteinanders, die unser Alltagsgeschäft prägt und die das, was wir als Unternehmenskultur definieren, greifbar und handhabbar macht. Bei Bertelsmann wurden dafür über Jahrzehnte hinweg zahlreiche Instrumente entwickelt.
    Ein besonderes Augenmerk unserer Unternehmenskultur liegt auf dem Dialog mit den Mitarbeitern. Nur: Wie können Sie in einen Dialog mit mehr als hunderttausend Menschen eintreten? Hierzu hat Bertelsmann das Instrument der Mitarbeiterbefragung entwickelt. Sie wurde bereits 1977 in Deutschland entwickelt und wird seit 2002 auch international umgesetzt. Alle vier Jahre können die Mitarbeiter so ein sehr detailliertes Urteil über ihre Vorgesetzten, ihr Arbeitsumfeld und ihre Firma abgeben. An der letzten Befragung im Jahr 2010 beteiligten sich rund 85 Prozent der Mitarbeiter weltweit, bei der Mitarbeiterbefragung
2006 lag die Beteiligungsquote gleich hoch.
    Diese Zahlen bestätigen die außerordentlich hohe Akzeptanz dieses Instruments. Die Ergebnisse der Befragung sind ein wichtiger Indikator für den Zustand des Unternehmens und werden deshalb von unserem Management außerordentlich ernst genommen. Für ein partnerschaftliches Betriebsklima ist zudem der ständige Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeiter unverzichtbar. Das Gefühl persönlicher Wertschätzung ist ein wichtiger Motivationsfaktor. Auch für die persönliche Rückmeldung haben wir eine Reihe fest etablierter Gesprächsformate entwickelt. Diesem Dialog liegen verbindliche Leitsätze für die Führung 72 zugrunde. Jede Führungskraft bei Bertelsmann muss sich daran messen lassen. Gegenstand dieser Gespräche sind vor allem die persönliche und fachliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter, aber auch Fragen der Gesundheitsförderung. Wir betrachten die Aus- und Weiterbildung unserer Führungskräfte als einen wichtigen Schlüssel zu unserer unternehmerischen Zukunft.
    Ein weiterer wesentlicher Aspekt unserer partnerschaftlichen Unternehmensführung ist die Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter. Identifikation mit dem Unternehmen setzt materielle Gerechtigkeit voraus. Gelebte Partnerschaft sollte sich deshalb in der Vergütung unmittelbar niederschlagen. Aus dieser Überzeugung heraus hatte mein Mann bereits 1970 das Modell der betrieblichen Gewinnbeteiligung bei Bertelsmann eingeführt und die Bertelsmann AG damit zu einem der Pioniere und wegweisenden Initiatoren der betrieblichen Gewinnbeteiligung in Deutschland gemacht. 73 In den letzten vierzig Jahren wurde dieses Modell ständig weiterentwickelt. Seit Einführung der Gewinnbeteiligung
wurde insgesamt mehr als eine Milliarde Euro netto an die Mitarbeiter ausgeschüttet. 74 Diese Zahlen sprechen für sich. Ein reines Lippenbekenntnis zur Unternehmenskultur sähe anders aus.
    Die hier aufgeführten Beispiele können nur einen kleinen Ausschnitt von dem zeigen, was zu unserem gelebten Unternehmensalltag gehört. Die von uns postulierten Werte stehen täglich auf dem Prüfstand. Sie sichern den Mitarbeitern die Teilhabe an Entscheidungsprozessen und nehmen so wesentlichen Einfluss auf die Zukunft des Unternehmens.
    Doch ein Unternehmen besteht