Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens
Hirnforschung hat ergeben, dass das emotionale Gehirn an rationalen Ãberlegungen genauso beteiligt ist wie das denkende Gehirn. Meine persönliche Erfahrung hat mich gelehrt, dass mein Bauchgefühl mir oft früh die Richtung einer Entscheidung weist, die der Abgleich von Informationen und Experteneinschätzungen erst sehr viel später
bestätigt. Ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, seine Gefühle als Teil des persönlichen Erfahrungspotenzials in die eigene Entscheidungsfindung einzubeziehen. In vielen Situationen sollte man seinem Bauchgefühl vertrauen, sagte mir auch Gerd Gigerenzer, einer der renommiertesten Entscheidungsforscher und Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. 70
Natürlich reichen Gefühle nicht aus, um verantwortungsvoll Entscheidungen zu treffen. Nach den ersten intuitiven Wahrnehmungen muss der Verstand die Intuition hinsichtlich ihrer Bedeutung bewerten und im Blick auf die zu treffende Entscheidung gewichten. Eine hohe Präsenz, eine ständige Geistesgegenwart gehört für mich jedoch zur Schlüsselkompetenz verantwortlicher Führung. Denn in vielen Fällen erfolgt der Abgleich von Verstand und Unterbewusstsein verblüffend schnell. Wer dieses Erfahrungspotenzial bewusst handhabt und über lange Berufsjahre immer wieder erprobt, wird entscheidungsfreudiger, immer sicherer und kann mitunter sekundenschnell Bewertungen vornehmen. Für mich persönlich kann ich klar sagen, dass meine besten Entscheidungen immer die waren, bei denen Verstand und Gefühl zu demselben Ergebnis kamen.
Und doch gibt es mitunter Herausforderungen, wo alle Erfahrung nicht weiterhilft. Manchmal können wir beim besten Willen keine Lösung entwickeln, unsere Gedanken drehen sich im Kreis. Dieser Zustand kann lähmend sein, er kann Entscheidungen blockieren und unsere kreativen Kräfte schwächen. Ich habe gelernt, eine solche Situation schnellstmöglich aufzulösen, indem ich gezielt Expertenrat einhole und andere Meinungen einbeziehe.
Wer für Menschen Verantwortung übernimmt, muss sich deren Vertrauen erwerben. Dazu gehören eine persönliche
Vorbildfunktion, ein offener Diskurs, Transparenz in der Entscheidungsfindung sowie das Benennen klarer Ziele. Vor allem ist es wichtig, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen. Ist das richtig, was ich mache? Oder gibt es einen anderen, vielleicht einen besseren Weg? Vor allen anderen habe ich mich selbst immer am meisten hinterfragt und unermüdlich den Dialog mit ausgewiesenen Experten gesucht.
Dabei bin ich mir der Bedeutung emotionaler Werte stets bewusst. Man muss die Menschen mitnehmen, auch und gerade, wenn schwierige Veränderungen anstehen. Mir persönlich sind Einzelgespräche sehr wichtig. Neben Sitzungen und Konferenzen nehme ich mir immer Zeit, um mit unseren Führungskräften Gespräche unter vier Augen zu führen. Das beschränkt sich nicht nur auf meine Arbeit als Mitglied des Vorstands und des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung oder meine Mandate im Aufsichtsrat und dem dortigen Personalausschuss der Bertelsmann AG. In Abstimmung mit unserem Personalchef halte ich immer auch Ausschau nach jungen Führungskräften und versuche herauszufinden, welches besondere Potenzial der Mitarbeiter in sich trägt. Mitunter lädt der Aufsichtsrat den Nachwuchs zu einem Abendessen ein. So geben wir den jungen Leuten die Chance, sich zu präsentieren. Wenn ich dann unterschiedliche Begabungen erkenne und hervorragendes Fachwissen sehe, erfüllt mich das mit groÃer Motivation und Freude.
Führungskräfte eines Unternehmens dürfen nie nur die wirtschaftlichen Ziele im Auge haben, sie müssen auch sensibel für die menschlichen Belange sein. Jeder Mitarbeiter ist ein Mosaikstein im Gesamtkunstwerk des Unternehmens. Wenn die Unternehmenskultur das gegenseitige
Vertrauen fördert, setzt sie damit viel Einsatz und Kreativität frei. Wer aber das Gefühl hat, dass seine Arbeit nicht geschätzt wird, wer vielleicht Angst hat um seinen Arbeitsplatz, der verliert die Motivation, fühlt sich durch seine Angst blockiert und wird nie die Leistung erbringen wie ein Mitarbeiter, der sich behütet fühlt und motiviert ist, sein Bestes zu geben.
Zur Tradition unserer Unternehmenskultur gehört immer auch der Blick auf die Nachhaltigkeit unserer Bemühungen. Eine 175-jährige Unternehmensgeschichte kann nicht nur
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