Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

nicht nur aus hehren Zielen und Idealen. Ohne wirtschaftlichen Erfolg kann auch ein Haus wie Bertelsmann nicht überleben. Wie aber trägt die Unternehmenskultur zum Unternehmenserfolg bei? Was macht uns so sicher, dass unsere Unternehmenskultur nicht nur die richtigen Werte eines partnerschaftlichen Miteinanders verwirklichen kann, sondern auch ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Unternehmen ist?
    Diese Frage beschäftigt Unternehmer weltweit. Es gibt viele Studien darüber. Bertelsmann selbst hat dazu eigene, sehr detaillierte und umfangreiche Untersuchungen in Auftrag gegeben, die sich auf präzises Datenmaterial stützen können. Unsere turnusmäßig durchgeführte Mitarbeiterbefragung liefert uns aussagekräftige Daten über die Einstellung der Mitarbeiter zu ihrem Arbeitsplatz. Wir erfahren, ob sich die Mitarbeiter mit ihren Aufgaben identifizieren können, ob sie zufrieden sind oder nicht. Gleichzeitig lassen sich die betrieblichen Rahmenbedingungen und das tatsächliche Mitarbeiterverhalten sehr genau verifizieren, zum Beispiel anhand von Kündigungsquoten oder den Krankmeldungen. Diese Daten kann man in Beziehung
setzen zum wirtschaftlichen Erfolg der jeweiligen Firmen. Unsere darauf aufbauende Analyse zum Verhältnis von Unternehmenskultur und wirtschaftlichem Erfolg hat genau das getan und ist zu folgendem Ergebnissen gekommen: 75
    Eine ausgeprägte partnerschaftliche Führung geht einher mit der starken Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Aufgabe und ihrer Firma. Der Grad dieser Identifikation zeigt einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Erfolg der jeweiligen Firma. Umgekehrt wirkt sich der wirtschaftliche Erfolg positiv auf die Kultur des Unternehmens aus.
    Eine starke Mitarbeiteridentifikation fördert die Produktivität und Gesundheit der Beschäftigten. Der Grad der Unternehmenskultur zeigt sich an einem niedrigen Krankenstand und einer verhältnismäßig geringen Kündigungsquote. Wir haben Firmen mit gering ausgeprägter Unternehmenskultur mit solchen verglichen, die im Grad der praktizierten Unternehmenskultur zur Topgruppe gehören. Dieser Vergleich macht deutlich, dass in schlecht geführten Firmen eine um zwei Drittel höhere Kündigungsquote und eine doppelte Anzahl von Krankentagen vorliegen.
    Die Unternehmenskultur wirkt sich positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg aus. Motivierte und engagierte Mitarbeiter sind nicht nur in der Lage, kurzfristig für Erfolge zu sorgen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Unternehmenskultur zeigt sich auch und gerade, wenn man die ökonomische Entwicklung eines Unternehmens über längere Zeit verfolgt. In der Gruppe der Firmen mit der ausgeprägtesten Unternehmenskultur liegt der Anteil der erfolgreichen Firmen doppelt so hoch wie bei den Firmen, die eine nur schwach ausgeprägte Unternehmenskultur
haben. Zudem kann in dem untersuchten Zeitraum nachgewiesen werden, dass eine Verbesserung der Unternehmenskultur mit einem Anstieg des wirtschaftlichen Erfolgs einhergeht.
    Nein, unser Eintreten für Unternehmenskultur ist mehr als ein Lippenbekenntnis. Es ist auch mehr als ein Soft Skill, ein »weicher Faktor«, den man vernachlässigen könnte. Die Unternehmenskultur bei Bertelsmann ist eine harte Erfolgsgröße.
    Sehr viele Unternehmer halten die Unternehmenskultur für ein hübsches Pflänzchen, das man sich in Zeiten wirtschaftlicher Erfolge leisten kann, in Zeiten der Krise aber tunlichst rasch abstreifen sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade die Wirtschaftskrise der letzten Jahre hat gezeigt, was die Unternehmenskultur zu leisten vermag. Das Ausmaß der Wirtschaftskrise hat auch uns bei Bertelsmann überrascht. Die Einbrüche in allen Märkten zogen zahlreichen Firmen gleichsam den Boden unter den Füßen weg. Wie alle anderen Unternehmen auch, waren wir zu drastischen Sparmaßnahmen gezwungen. Viele Unternehmer und Manager berichteten mir sorgenvoll, dass sie so eine schwierige Phase noch nie erlebt hätten. Es war die schwerste Wirtschaftskrise seit achtzig Jahren. Worauf also sollten wir uns stützen, wenn so vieles zusammenbrach und das Planen immer schwerer wurde, weil niemand genau sagen konnte, was in sechs Monaten, in zehn Monaten, in zwei Jahren sein würde? Woher sollten wir unsere Entscheidungsgrundlagen nehmen, wenn alle im Trüben fischen? Woran sollten wir uns orientieren? Wenn ich meinen Verstand