Schluß mit cool (German Edition)
Geigen an und ab, bis der ganze Raum davon erfüllt war, kalter Wind blies durch den Eingang, und die gesplitterte Tür quietschte in den kaputten Scharnieren. Jordy, dachte ich, Jordy braucht mich jetzt, sie braucht mich, um von hier wegzukommen, also ging ich ihr ins vordere Zimmer nach, um ihr vom Schnee zu erzählen, daß er verfrüht niederging, und was das bedeutete. Sie kauerte in der Ecke vor dem Ofen, ihr Gesicht war tränennaß, und sie zitterte. Sie hatte den Pullover über dem Kopf und schon ein Bein in der Jeans, aber das andere Bein war nackt, eine weiße Skulptur, völlig weiß, von den kleinen rotlackierten Zehennägeln zur Kurve des Oberschenkels und weiter hinauf. Es war ein schwieriger Moment. Und ich versuchte, es ihr zu erklären, wirklich. »Sieh doch mal hinaus«, sagte ich. »Sieh hinaus in die Nacht. Sieh hinaus in die Nacht.«
Da hob sie das Kinn und machte die Augen auf, sah durch die Tür in den hinteren Raum, sah Bud auf dem Bett liegen, den Hund auf dem Boden, sah das gähnende Loch, wo vorher die Tür gesteckt hatte. Und da war er, der Schnee, er fiel herab wie das Ende von allem, und jetzt gab es nur noch einen Namen dafür. Das wollte ich ihr klarmachen. Denn wir würden nirgendwohin gehen.
Nicht zimperlich
Sie war nicht zartbesaitet, sie war nicht zimperlich, sie war weder sanft noch hingebungsvoll, noch kokett, und sie war niemandes kleines Frauchen, würde es auch niemals sein. Das war die Rolle ihrer Mutter gewesen, und zu was für einem armseligen Bündel aus Neurosen und Alkoholspätschäden war die geworden? Und dann ihr Vater. Er war der Pascha des Wohnzimmers, der Sultan der Küche, der Kaiser des Schlafgemachs, und was hatte ihm das eingebracht? Ein Stechen in der Brust, einen Leberschaden, und seine Beine könnten ebensogut zwei Stümpfe sein. Für so ein Leben mit häuslichen Melodramen und gierig saugenden Babys war Paula Turk nicht geboren – nein, ihre Bestimmung lag in etwas Einmaligem, Komplexem, das sie definieren und auszeichnen würde, in etwas Größerem. Sie wollte den Wettstreit, und sie wollte ihn gewinnen – immer glänzte da vor ihr als schillernde Ikone das Bild des Triumphs. Und wenn sie mal einen Durchhänger hatte, wenn Schnupfen oder Grippe an ihren Reserven zehrten und sie im eisigen Wasser des Pazifiks oder im teuflischen Wind oben am San Marcos Pass den Mann mit dem Hammer zu spüren bekam, peitschte sie sich weiter nach vorn, trieb sich an mit einer inneren Reitgerte, die weder Ausreden akzeptierte noch Ausnahmen für das schwache Fleisch gewährte. Sie war achtundzwanzig und bereit, die Welt zu erobern.
Jason Barre dagegen, der dreiunddreißigjährige Surf-TauchShop-Besitzer, mit dem sie seit etwa neun Monaten ziemlich regelmäßig ausging, schien wahrlich keinen Funken von Konkurrenzgeist zu besitzen. Seine Eltern waren beide Mediziner (was Paula unter anderem für ihn eingenommen hatte, als sie sich das erstemal begegneten) und hatten ihm den Laden finanziert, diesen Laden, der seit der grandiosen Eröffnung vor drei Jahren stetig Verlust brachte. Bei einer ordentlichen Brandung war Jason immer am Strand zu finden; lag das Meer einmal still da, saß er in seinem großen Drehstuhl hinter der Ladentheke und verkaufte Wachsentferner an Halbstarke mit ausgebleichtem Haar, die mit ihren schneidenden drüsenschwangeren Stimmen Sachen wie »irre« und »Wahnsinn« sagten. Jason war leidenschaftlicher Surfer, atmete gern Zigarettendunst in Sportkneipen, hatte ständig ein schläfriges, breites kalifornisches Grinsen auf dem Gesicht, Plastiksandalen an den Füßen, und von der Taille abwärts war er bekleidet mit verblichenen Schlabbershorts, die nur mühsam von seinem sanft herabhängenden Bierbauch und dem Zwillingsanker der Hüftknochen gehalten wurden.
Paula hatte damit kein Problem. Sie fand zwar, er solle weniger trinken und mit dem Rauchen aufhören, aber sie nervte ihn nicht damit. In Wirklichkeit war es ihr ziemlich egal – ein Weltmeister in der Beziehung reichte völlig aus. Wenn sie trainierte, also mittlerweile ständig, empfand sie unwillkürlich eine gewisse moralische Überlegenheit zu jedem Menschen, der das nicht tat – und Jason war ganz und gar untrainiert. Er stellte keine Bedrohung dar und wollte auch keine sein – dafür war sein Gehirn einfach nicht programmiert. Er war süß, sonst nichts, und so wie sie einen leisen Schauer der Lust beim Anblick seines Bäuchleins unter dem zu großen T-Shirt verspürte, bewunderte er
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