Schluß mit cool (German Edition)
auszahlte.
»Ich bin Lyle«, sagte der Mann, und dann tauschten sie einen lässigen ausgefeilten Soul-Händedruck. »Lyle Hansen, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie cool ich das finde. Ich meine, ich bin ein Riesenfan von Ihnen. Savage Street war einfach das Coolste in der Geschichte des Fernsehens, und das meine ich ernst – die Serie hat mich durch die Highschool gebracht, und das war eine miese Zeit für mich, echt die Hölle der Pubertät und so, dazu die ganzen Regeln und Vorschriften und meine Eltern, die mir wegen jeder Kleinigkeit auf die Nerven gingen – Scheiße, Savage Street war damals mein Lebensinhalt !«
Edison umklammerte seinen Drink, das beruhigende Gefühl des Glases in seiner Hand, die Gesichter an der Bar, die dunkelblauen Schatten, die sich über das Gebäude auf der anderen Straßenseite schoben. Aus der Musikbox erklang Trip-Hop, eine gedehnte, träge Frauenstimme über einem industriellen Gewitter aus Gitarren und Percussion – eine Musik, der es gelang, bissig und unheilvoll zugleich zu wirken, und es paßte. Es paßte alles genau.
»Hören Sie, ich wollte Sie hier nicht belästigen oder so...«
Edison winkte ab. »Kein Problem, Mann, alles cool, alles easy.«
Lyle mußte etwa so alt wie der Barkeeper sein, was bedeutete, daß seine Highschool-Zeit etwa zehn bis zwölf Jahre hinter ihm lag. Er trug das Haar länger als der Mann an der Bar, aus der Stirn nach hinten gekämmt und mit Gel festgehalten, da und dort baumelte eine Strähne nach vorn herunter. Er wechselte ständig von einem Fuß auf den anderen, klimperte mit den Schlüsseln in der Tasche, zupfte an seiner Krawatte und ließ immer wieder das Lächeln aufblitzen. »He, Carlton«, sagte er in den Lärm hinein, »gib mir noch einen, ja – und für Mr. Banks hier auch. Geht auf mich.«
»Nein, nein«, protestierte Edison, »das ist nicht nötig«, aber das Geld lag bereits auf dem Tresen, und die Drinks kamen in frischen Gläsern. »Also, Sie haben diese Serie geschrieben und produziert, stimmt’s?«
»Ach was, ich hab sie erdacht . Wissen Sie, wenn man bei den Credits liest: ›Erdacht von‹? Ich hab die ersten zwei Staffeln geschrieben und ihnen den Stoff dann überlassen. Wozu arbeiten, wenn man spielen kann, nicht wahr?«
Lyle trank Herraduras aus einem schlanken Glaszylinder. Er kippte den neuen Drink in sich hinein, dann klatschte er sich auf die Stirn wie bei einem Mückenstich. »Ich fasse das nicht. Da rede ich hier mit Edison Banks – wissen Sie, als Sie damals hierhergezogen sind, wann war das, vor drei, vier Jahren oder so?«
»Vor drei.«
»Genau, und da hab ich diesen Artikel in der Zeitung über Sie gelesen und mir gedacht: Wow! Sie waren doch auch Gitarrist bei Edison Banks, stimmt’s? Ich hab beide Alben von denen gehabt, New Wave, ja? Also, worauf ich eigentlich stehe, das ist Jazz. Miles Davis. Monk. So Sachen aus der Zeit.«
Edison fühlte, wie eine Last sich von ihm hob. »Ich bin schon mein Leben lang Jazzfan«, sagte er, und der Alkohol loderte in ihm auf, bis die ganze Bar davon in Flammen stand – ein mystisches Feuer brannte da aus den Flaschen und Lampenfassungen und den goldglänzenden Gesichtern, die an der Theke aufgereiht saßen. »Jedenfalls seit ich fünfzehn war, da bin ich mit der U-Bahn nach Harlem raufgefahren und hab mich in die Clubs reingemogelt. Ich hab zu Hause alles – Birth of the Cool, Sketches , jede Scheibe von Coltrane, Sonny Rollins, Charles Lloyd, Ornette, Mulligan – und noch dazu alles auf den Original- LP s.«
Lyle legte beide Hände auf den Tresen, wie um sich abzustützen. Er trug einen silbernen Totenkopfring am kleinen Finger, und das ausgefledderte Ende einer Tätowierung lugte an seinem linken Handgelenk hervor, wo der Ärmel ein Stück hinaufgerutscht war. »Vielleicht denken Sie, ich bin nur irgend so ’n Anzug oder was«, sagte er, »aber das stimmt nicht.« Er zog an seinen Kragenaufschlägen. »Sehen Sie das hier? Ist mein erster Tag im neuen Job. Immobilien. Da ist eben das große Geld zu holen. Aber ich sag Ihnen, ich hätte riesige Lust, mal was von diesen Sachen mit Ihnen zu hören – ich meine, Miles ! Mann! Und ich weiß auch, was Sie meinen – CD s bringen’s einfach nicht so wie Vinyl.«
Und Edison, für den sich der Rest dieses miesen Abends plötzlich rosig verklärt hatte, wandte sich ihm zu und sagte: »Ich wohne oben an der Ecke Dolores und San Ignacio – großes Haus im spanischen Stil mit Ziegeldach. Kommen Sie vorbei, Mann
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