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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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lachten und blödelten, warfen ihr Stöckchen, als wäre nichts passiert. Und es war ja auch nichts passiert, ihnen jedenfalls nicht. Edison erstarrte und blieb auf der sechsten Stufe von oben stehen. Es war, als wäre er gelähmt, als hätte er einen Schlaganfall erlitten, während er nach dem Eisengeländer gegriffen und einen wackligen Fuß vor den anderen gesetzt hatte. Ein älteres Paar schob sich an ihm vorbei, wahre Trümmerberge aus Fett und Fleisch, dann eine junge Mutter, ihre Kinder mit Plastikeimern im Kielwasser. Er konnte sich nicht rühren. Der Hund bellte. Unten auf dem Strand erscholl ein Ruf. Der Stock flog durch die Luft.
    Dann klopfte er sich die Taschen ab, als hätte er etwas vergessen, machte langsam kehrt und hinkte die Stufen wieder hinauf. Lange Zeit saß er im Wagen und drehte am Radio herum, bis er einen Rap-Sender gefunden hatte, und er drehte ihn so laut, wie es nur ging, obwohl er diese Musik haßte, aufrichtig haßte. Schließlich legte er krachend einen Gang ein und ließ den Wagen ruckartig davonschießen, während der dröhnende Baß und die hämmernden Texte einen Dolch in den Leichnam des Nachmittags stießen, wieder und wieder, die ganze lange Fahrt hindurch.
    Zuerst dachte er an die Bar – an etwas zu essen und einen Cocktail, um das Codein wieder aus dem Loch hervorzuholen, in dem es sich versteckt haben mußte –, aber er brachte es nicht fertig. Er war Edison Banks. Er hatte seine eigene Band gehabt. Er hatte Savage Street erdacht. Er setzte sich nicht um halb zwei Uhr nachmittags in eine Bar zum Lunch, und vor allem aß er nicht allein – oder trank vor fünf Uhr Alkohol, nicht einmal Wein. Die anderen mochten das tun, all seine hoffnungslos abgestumpften, aber vor Diamanten nur so strotzenden Nachbarn: sie bestellten sich Lunch. Und dann schlürften sie ein paar Cocktails und kauften dem Blumenmädchen in dem kurzen Röckchen Blumen ab, bevor sie im Drugstore ihre Rezepte einlösten, und inzwischen war es dann schon wieder Cocktailzeit, und sie schlürften weitere Drinks und aßen zu Abend. Oder bestellten jedenfalls.
    In der nächsten halben Stunde ließ er einfach die Reifen glühen, nahm die Kurven wie ein Selbstmörder – oder ein Teenager, ein stoppelköpfiger, waschbrettbäuchiger stöckchenwerfender Teenager –, und dann lief ihm der Motor heiß, und er schaltete das Radio aus und schlich nach Hause wie einer der lebenden Toten in ihren alten Jaguars und Daimlers. Jetzt ein Schläfchen, dachte er, das Knie hochlegen, die Gefriererbsen darumwickeln und mit einem Buch in der Hand am Swimmingpool dösen – wo er zumindest seine Privatsphäre hatte. Beim Aussteigen aus dem Wagen biß er die Zähne zusammen und belastete das rechte Bein nur vorsichtig, aber die Gefriererbsen und noch eine Codeintablette würden helfen, und er brachte den Fußweg hinter sich, ohne etwas zu spüren. Er suchte nach den Schlüsseln, die Sonne lag ihm wie eine Last auf den Schultern, während ein Kolibripärchen die Luft mit irisierenden Finten und Fluchten tüpfelte und die Palmen entlang des Pfades in einem kaum spürbaren Windhauch erbebten, da bemerkte er, daß die Hintertür offenstand.
    Und das war seltsam, denn er war sich sicher, daß er sie beim Weggehen zugedrückt und abgeschlossen hatte – Kim mochte keinen Schimmer in Sicherheitsfragen gehabt haben, sie hatte auch mal ihre Handtasche auf dem Vordersitz liegenlassen, wo sie jeder sehen konnte, war halb geschminkt aus dem Haus gerannt, ohne daran zu denken, daß sie die Eingangstür sperrangelweit offengelassen hatte, er aber war in diesen Dingen unfehlbar. Er vergaß nie etwas, und wenn sein Gehirn von den kleinen weißen Pillen, die ihm die Ärzte dauernd verschrieben, noch so benebelt war. Er hätte die Tür nicht offengelassen. Unmöglich. Sein nächster Gedanke war das Hausmädchen – sie mußte noch im Haus sein. Dann aber blickte er über die Schulter, den Abhang hinunter und hinter den Zaun zu dem Platz auf der Straße, wo sie immer ihren schmutzigbraunen Corolla parkte. Er stand nicht mehr dort.
    Er zog die Tür hinter sich ins Schloß und dachte, daß er mit ihr darüber reden mußte: einfach zu gehen und das Haus weit offenzulassen – es gab keine Entschuldigung dafür, selbst wenn sie zu Tode betrübt war wegen des Schicksals der Elefanten oder der letzten Brustoperation ihrer Schwester. In der Küche kämpfte er mit dem kindergesicherten Verschluß der Medikamentenflasche und jagte sich dann mit Obstsaft eine

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