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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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holte er sie ab. Behende erstieg er die sonnengebleichte Außentreppe der Wohnung über dem Drugstore, in der sie bei Onkel und Tante und deren fünf Kindern lebte. Es war ein heißer Septembervormittag, ganz Fresno und das breite staubige San Joaquin Valley dahinter waren von einer gewaltigen Macht erfaßt, von einem so glühendheißen Wind, daß man hätte meinen können, die Welt sei ein Pizzaofen, dessen Tür jemand zu schließen vergessen hatte. Siagris der Grieche öffnete auf sein Klopfen. Er trug kein Jackett, und der Schweiß hatte seine Kleidung bereits in Waschlappen verwandelt, das weiße Oberhemd klebte ihm wie eine Briefmarke auf dem Schmerbauch. Er lächelte nicht, drückte aber auch kein Mißfallen aus, und Baldassare verstand seine Miene sehr gut: Siagris mochte ihn nicht, nicht die Bohne, und unter anderen Umständen hätte er ihn nur allzugern zerquetscht wie einen Käfer, doch er hatte eine Nichte zu versorgen, die Platz wegnahm und für sechs Nichten futterte, und mit Baldassare bot sich eventuell die Aussicht, von ihr erlöst zu werden. »Komm rein«, sagte er, und so betrat Baldassare, der Höhlenbewohner, die Zimmer eines Hauses zwei Stockwerke über dem Erdboden.
    Im Innern war es dort oben sogar noch heißer. Die Kinder der Siagris lagen herum wie erschlagene Fliegen, und Mrs. Siagris, deren Haar aussah, als schlüge ein wildes Tier seine Klauen in ihren Skalp, steckte kurz den Kopf aus der Küche herein. Es war zu heiß zum Lächeln, deshalb zog sie nur eine Grimasse und verschwand gleich wieder. Und dann, mitten in dieser erstickend heißen Szenerie, rief die Stimme eines Bauchredners aus: »Er ist hier«, und Ariadne trat in den Korridor hinaus.
    Sie war ganz in Weiß, ein Hut von der Größe einer Tischplatte saß auf dem mächtigen Schopf ihres Haars. Er schmolz ohnehin schon (in der Hitze), aber als sie ihren wilden Silberblick nun auf ihn richtete und die Lippen zum scheusten aller Lächeln kräuselte, da schmolz er noch ein wenig mehr dahin.
    Draußen auf der Straße reichte sie ihm ihren Arm, was ein gewisses Problem bereitete, da sie um so vieles größer war als er, und er mußte höchst ungelenk nach oben greifen, um sich bei ihr einzuhängen. Er trug seinen besten Anzug, frisch gewaschen am Abend davor, und das ungewohnte Jackett klebte an ihm wie tote Schlangenhaut, während der neue Kragen aus Zelluloid ihm in die Kehle schnitt und seine Krawatte ihn halb erwürgte. Sie waren einen guten halben Häuserblock weit gegangen, da blieb sie abrupt stehen und pflanzte die Füße nebeneinander auf. »Wo ist denn Ihre Kutsche?« fragte sie.
    Kutsche? Baldassare war verwirrt. Er besaß keine Kutsche – ja er hatte nicht einmal ein Pferd. »Keine Kutsche«, sagte er und bemühte sich, sie aufs freundlichste anzulächeln. »Wir gehen zu Fuß.«
    »Zu Fuß?« echote sie. »In dieser Hitze? Sie müssen verrückt sein.«
    »Nein«, sagte er, »zu Fuß«, dabei lehnte er sich vor und übte einen sanften, aber beharrlichen Druck auf ihren monumentalen, widerspenstigen Oberarm aus.
    Ihre Wangen waren rot gefleckt unter dem Bogen des Schlagschattens, den die Hutkrempe über ihr Gesicht zog, und der Blick ihrer olivgrünen Augen schien ihn erdolchen zu wollen. »Sie meinen«, begann sie mit keifender, unbeherrschter Stimme, »Sie haben nicht mal einen Wagen? Sie, wo Sie doch ein so großes Haus haben, von dem Sie mir dauernd erzählen?«
    Am nächsten Sonntag fuhr er beim Drugstore von Siagris in einem geliehenen Kabriolett vor, obwohl es ihn zutiefst schmerzte, so sein Geld zu verschleudern, als wäre er ein Millionär von der Park Avenue. Es war ein wolkenloser Tag, die Sonne brannte gnadenlos vom Himmel, und in der Wohnung am Ende der Außentreppe spielte sich wieder dieselbe Szene ab, außer daß Baldassare diesmal die Dinge im Griff zu haben schien. Er war ebenso kurz angebunden mit Siagris wie dieser mit ihm, riß für die Kinder ein Scherzchen über die Hitze und führte dann Ariadne (die sich in der Vorwoche geweigert hatte, weiter als bis zu einer Bank im Park an der nächsten Straßenecke zu gehen) zur Tür hinaus, die Treppen hinab und in die Kutsche hinein, wie ein cavaliere der alten Schule.
    Baldassare mochte Pferde nicht. Sie waren groß und derb und aufwendig, mußten ständig gestriegelt, beschuht, verarztet und mit Hafer gefüttert werden – und das Pferd, das den geliehenen Einspänner zog, bildete da keine Ausnahme. Es war ein dämliches, furzendes, breitärschiges Vieh mit

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