Schluß mit cool (German Edition)
Füße, betrachtete das schwarzweiße Karomuster der Bodenfliesen und die Art, wie ihre Laufschuhe sie betraten, als steckten sie an den Beinen von jemand anderem, als Jason plötzlich innehielt und sie automatisch den Blick hob, und da standen sie auf einmal unmittelbar vor Zinny Bauers Tisch – wie eine Zufallsbegegnung entfernter Bekannter, wie Nachbarn auf dem Weg zum Elternabend. »Aber ist das nicht Zinny Bauer?« sagte Jason mit schriller, näselnder Stimme in seiner Imitation des typischen Valley-Girl-Tonfalls. »Die große Triathletin? O mein Gott, ja, ja, Sie sind es, nicht wahr? O Gott, könnte ich wohl ein Autogramm für meine kleine Tochter haben?«
Paula erstarrte zur Salzsäule. Sie konnte sich nicht rühren, konnte nicht sprechen, ja nicht einmal mit den Augen zwinkern. Und Zinny – die sah aus, als wäre sie gerade mit dem Flugzeug abgestürzt. Jason zog seine Scharade weiter durch, tat so, als wühlte er in seinen Taschen nach einem Stift, als Armin das Schweigen brach. »Warum verpissen Sie sich nicht einfach!« sagte er, und die Adern an seinem Hals traten hervor.
»Oh, sie würde sich riesig freuen«, fuhr Jason fort, die Stimme zu einem Juchzen gepreßt. »Sie ist so reizend, erst sechs Jahre alt – o mein Gott, sie wird mir das gar nicht glauben...«
Armin erhob sich. Zinny klammerte sich mit blutleeren Fingern an die Tischkante, die Augen schmal und verkniffen. Der Kellner – derselbe, den Jason den ganzen Abend schikaniert hatte – kam auf den Tisch zu und jammerte: »Ist alles in Ordnung?«, als hätte diese Floskel irgendeine Bedeutung.
Plötzlich verwandelte sich Jasons Stimme, völlig unerwartet. »Verpiß dich selber, Sackgesicht, samt deiner klapperdürren Glatze von Freundin.«
Armin war durchtrainiert, das sah man gleich, und Paula bezweifelte, daß er je eine Zigarette zwischen den Lippen hatte, geschweige denn einen Joint, trotzdem hielt sich Jason durchaus wacker – bis das Küchenpersonal die beiden trennte. Einige Dinge gingen zu Bruch, ein paar Stühle fielen um, man hörte viel Lärm und Flüche und Drohungen, die meisten kamen von Jason. Alle Gesichter im Restaurant waren kreidebleich, als das Personal endlich einschritt, und irgendwer ging ans Telefon und rief die Polizei, aber Jason schlug sich tobend zur Tür durch und verschwand, ehe sie eintraf. Und Paula? Sie machte sich einfach ganz klein und immer kleiner, bis sie irgendwann hinter ihrem Lenkrad saß und langsam die dunklen Straßen durchkämmte, auf der Suche nach Jason.
Aber sie fand ihn nirgends.
Als er am Morgen anrief, war er liebenswürdig und voller Entschuldigungen. Er flüsterte, seufzte und sang für sie, seine Stimme war ein steter beschwichtigender Strom, der über die Leitung in ihren Kopf und durch ihre Venen und Arterien bis zu ihrem widerstandslosen Kern drang. »Hör zu, Paula, ich wollte nicht, daß das so aus dem Ruder läuft«, raunte er, »das mußt du mir glauben. Ich war bloß der Meinung, daß du dich vor niemandem zu verstecken brauchst, das ist alles.«
Sie hörte ihm zu, ihr Kopf war leer, und ließ sich von seinen Worten einlullen. Es war der Tag vor dem Rennen, und sie würde sich von nichts durcheinanderbringen lassen. Dann aber, während er weitersprach und ihr seine reumütigen, selbstmitleidigen Sprüche ins Telefon hauchte, ganz so, als wäre er es gewesen, den man beschämt und erniedrigt hatte, fühlte sie die Empörung in sich aufsteigen: kapierte er denn nicht, war ihm nicht klar, was es hieß, der eigenen Niederlage ins Antlitz zu sehen? Und das auch noch über einem Teller Nudeln? Sie unterbrach ihn mitten in einer langen Faselei über irgendeine Surferlegende aus den Fünfzigern und die vielen Widrigkeiten, die der arme Kerl von seinen vielen Konkurrenten, einer blutgierigen Ehefrau und der verhängnisvollen Gegenströmung am Newport Beach ertragen mußte.
»Was glaubst du eigentlich«, fragte sie, »daß du mich da beschützt hast oder was? Glaubst du das wirklich? Denn wenn du das glaubst, dann laß dir sagen, daß ich weder dich noch sonst irgendwen brauche, um für mich einzustehen...«
»Paula«, sagte er, und seine Stimme schlich sich über die Leitung an sie an, »Paula, ich bin auf deiner Seite, weißt du das nicht? Ich liebe das, was du tust. Ich möchte dir helfen.« Er machte eine Pause. »Und ja, ich möchte dich auch beschützen.«
»Das brauche ich nicht.«
»Doch, du brauchst das. Du weißt es nicht, aber du brauchst es. Verstehst du denn nicht:
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