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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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ließ, die mit einem Zischen von Luft und ersten spotzenden Entladungen unterirdischen Drucks loslegten, schnellte der Hund hoch und trottete zur Veranda hinüber, immerhin war er schlau genug, sich bei Regen unter ein Dach zu trollen.
    Er war eingedöst, als die Rasensprenger angingen. Das mit dem Hund hatte er längst aufgegeben – was erwartete Eunice denn von dem Tier, sollte es einen Krankenwagen anhalten? –, und er träumte von nichts Komplizierterem als seinem Bett, von seinem Bett und einem Glas Wasser, einem halben Glas, irgend etwas zum Kühlen seiner Kehle, als die Sintflut losbrach. Es war ein eingeschränkter Segen. Noch nie im Leben hatte er so viel Durst gehabt, gebraten und gebleicht unter der Sonne, bis er sich wie mumifiziert vorkam, und er öffnete reflexartig den Mund. Leider war keine der Düsen so eingestellt, daß sie geradewegs in den weit geöffneten Mund des alten Mannes zielte, der mitten auf dem Rasen hingestreckt lag, und wenn auch hie und da ein Tropfen seine Lippen und sogar seine Zunge traf, half das alles wenig gegen den Durst, und bald war er bis auf die Haut durchnäßt und zitterte. Trotzdem regnete es weiter wie bei einer orientalischen Wasserfolter, bis die Rohre irgendwann einen Seufzer ausstießen und die Beregnung ebenso schlagartig aufhörte, wie sie begonnen hatte.
    Es tat ihm leid wegen Eunice, er fühlte sich ohnmächtig und schwach, fühlte sich tot, doch er kämpfte die Verzweiflung nieder und versuchte nochmals, sich aufzusetzen. Jedenfalls versuchte es sein Gehirn. Der Rest von ihm, abgesehen vom Schmerz des Sonnenbrands im Gesicht, dem steten Pochen in seinen Knien und den Schüttelfrösten, die ihn wie einen alten Lumpen beutelten, schien jemand anderem zu gehören, einem Fremden, dem er sich nicht mitteilen konnte. Nach einer Weile gab er es auf und rief leise nach seiner Frau. Sie antwortete ihm nicht. Danach schlief er ein, und die Nacht fiel herab, um ihn mit all ihrem lastenden Gewicht zu erdrücken.
    Gegen Morgen wachte er auf und sah, daß es Eunice gelungen war, einen guten Meter weiter zu kriechen – wenn er die Augen ganz nach links rollte, konnte er sie eben noch erkennen, ein zusammengekauertes Häuflein im glitzernden Gras. Er hielt den Atem an und befürchtete schon das Schlimmste, aber dann hörte er sie atmen – oder vielmehr schnarchen: das leise kehlige Einsaugen der Luft, gefolgt von dem noch leiseren Geblubber beim Ausatmen. Nun setzten auch die Vögel ein, begannen ihren tagtäglichen Disput, und er bemerkte, daß es am Himmel allmählich hell wurde, ein Phänomen, das er seit Äonen nicht mehr beobachtet hatte, nicht seit er im College war und in durchgemachten Nächten mit Freunden über Frauen und Metaphysik gequatscht und sich dabei Bier aus der Dose hineingeschüttet hatte.
    Damals ließ er so was einfach abperlen. Erhob sich aus dem feuchten Gras, verschlang zehn Pfannkuchen und ein halbes Dutzend Würstchen, ging dann geradewegs in seine Vorlesungen und danach noch in den Sportsaal für ein bißchen Bodybuilding. Damals baute er sich auf, mit jedem Tag mehr; mit jeder Wiederholung an jedem Gerät, und der Beweis starrte ihm beim Gewichtheben aus dem Spiegel entgegen. Jetzt aber gab es keinen Aufbau mehr, kein Sammeln von Jazzplatten oder europäischen Romanen, keine Sorgen wegen des Zähneputzens zwischen den Mahlzeiten oder wegen Zinseszinsen oder Lebensversicherungen oder sonst etwas. Jetzt gab es nur noch das hier, das Warten, und ob man hier draußen auf dem Rasen als Frühstück für die Krähen wartete oder drinnen im Fernsehsessel, das war im Grunde schnurz. Nichts hatte noch Sinn, außer dem hier. Denn nichts anderes gab es ja letztlich noch – das Gras, den Himmel, die Klettertrompete und den Pfefferbaum, seine Frau mit den porösen Knochen und der ausgerenkten Hüfte, den Hund auf der Veranda, die Sonne, die Sterne.
    Stan Sadowsky hatte versucht, ihm die Tür zu versperren, damals, als Walt kam, um Eunice mitzunehmen, aber Walt hatte sich behauptet, weil er wußte, was er wollte, und wenn er das wußte, dann war er nicht vom Fleck zu bewegen. »Sie will nicht mehr mit dir zusammensein, Stan«, sagte Walt. »Und sie wird auch nicht mehr mit dir zusammensein.«
    »Ach ja?« Auf Stans Nacken spannten sich die Muskeln an vor Zorn, und die Augen hüpften ihm beinahe aus dem Schädel. Walt haßte ihn nicht. Er empfand überhaupt nichts für ihn, weder so noch so. Aber dort hinter Stan, im matten Licht des Korridors, stand Eunice,

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