Schluß mit cool (German Edition)
gemacht ist. Er blickte zu den aufgehenden Sternen empor – es blieb ihm auch wenig Wahl, außer die Augen zu schließen. Es war ewig her, daß er sich die Sterne angesehen hatte – Räume ohne Dach darüber interessierten ihn nicht weiter –, und es berührte ihn seltsam intensiv, daß sie noch alle da waren. Die meisten jedenfalls, aber wer konnte sie schon zählen? Er hörte Eunice im Dunkeln gleich links von sich schluchzen, und lange Zeit sagte sie gar nichts, schnüffelte und schnaubte nur, sog jeden dritten oder vierten Atemzug mit würgendem Keuchen ein. Schließlich ertönte ihre Stimme aus der Leere: »Immer gibst du mir für alles die Schuld.«
Tja, zugegeben, da war etwas Wahres dran, aber es hatte wenig Sinn, das jetzt zu diskutieren. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist, Eunice«, sagte er und bemühte sich, in ruhigem Tonfall zu sprechen, obwohl sein Herz rasend hämmerte und er die Katastrophe bereits voraussah. »Aufstehen kann ich nicht. Kann mich nicht mal rühren. Verstehst du, was das heißt?«
Sie gab keine Antwort. Eine Mücke setzte sich auf sein unteres Lid, sanft wie eine Schneeflocke, und er hatte nicht die Kraft, sie zu verscheuchen. »Hör zu«, sagte er in Richtung des Himmels und der Farbspritzer, die die Sterne waren, »wie schlimm ist es bei dir? Kannst du... glaubst du, daß du kriechen kannst?«
»Es tut weh«, keuchte sie, »Walt, es tut so weh«, und dann schluchzte sie wieder, ein gebrochenes, trockenes, rasselndes Jammern, das sich in ihn bohrte wie die Zähne einer Säge.
Er sprach etwas sanfter: »Schon gut, Eunice. Alles wird wieder gut, du wirst schon sehen.«
In diesem Moment, gerade als er die Worte über die Lippen brachte, hörten sie das vertraute Geschepper von Booters’ Hundemarken, die im hinteren Ende des Gartens ekstatisch gegeneinanderklirrten, gefolgt von einem fröhlichen Bellen und dem jubilierenden Trappeln seiner sich nähernden Pfoten. »Booters!« riefen sie beide gleichzeitig. »Braver Hund, Booters. Komm her zu uns, komm her!«
Eunice erwartete ein Wunder, nichts Geringeres – sie war Optimistin, war es immer gewesen und würde es immer sein –, und sobald sie den Hund hörte, fielen ihr die vielen Episoden ein, in denen Lassie jemanden gerettet hatte, und auch Rin-Tin-Tin, Jip, Buck Bundy und Dorothys Toto und wie sie alle hießen. Sie lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Rasen, und ihre Wange juckte, wo das Gras ein verschnörkeltes Intarsienmuster hineinzeichnete, doch sie wagte sich nicht zu rühren, wegen der Schmerzen in der Hüfte und im Steißbein, die ihr das Gefühl gaben, entzweigerissen zu werden. Natürlich hatte sie Angst, um sich selbst und um Walt, aber als Booters jetzt vor ihr stand und anfing, ihr das Gesicht abzulecken, verspürte sie einen Schwall der Hoffnung. »Braver Hund«, sagte sie. »Und jetzt sag was, Booters, sag’s laut!«
Booters hatte nichts zu sagen. Er legte die zu großen Pfoten neben dem Kopf von Eunice ins Gras und winselte leise wie ein Welpe. Er war ja auch nicht viel mehr als ein Welpe, ein großer ungelenker und dummer Köter von undefinierbarer Rasse, der ständig auf den Teppich im Korridor pinkelte, egal, wie oft er dafür bestraft wurde. Der Hund, den sie davor gehabt hatten, Booters der Erste, der Original-Booters, also das war ein Hund gewesen. Ein Border-Collie, die glänzenden Augen voller Konzentration und Wachsamkeit, und dermaßen klug, daß man ihm zur Not sogar das Einmaleins hätte beibringen können. Es war ein trauriger Tag gewesen, als sie ihn einschläfern mußten, er war fünfzehn Jahre alt und am Ende so steif, daß es ausgesehen hatte, als liefe er auf Stelzen. Walt hatte es ebenso leid getan wie Eunice, auch wenn er nichts gesagt hatte als: »Tja, man mißt sein Leben in Hunden ab, und wenn man Glück hat, dann kriegt man fünf oder sechs zusammen«, und damit warf er Erde in die Grube.
Während der nächsten Stunde, während die Moskitos auf ihrem Gesicht, ihrem Nacken und den nackten Beinen einen Festschmaus abhielten, versuchte es Eunice immer wieder. »Sag was, du Guter!« befahl sie. »Geh und hol Hilfe. Hol Hilfe! Ruf jemanden!« Anfangs machte Walt mit und stieß ein geknurrtes Kommando nach dem anderen hervor, aber Booters tat nicht viel mehr, als aus dem versabberten Maul zu winseln und den Körper immer wieder zu verlagern, um sich demjenigen anzuschmiegen, der ihn gerade ungestümer anzutreiben versuchte. Und als die Zeitschaltung die Rasensprenger anspringen
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