Schluss mit dem ewigen Aufschieben
tun sollten
oder müssten. Wie alle ernsthaften Aufschieber erleben |41| sie Reue und fühlen sich schuldig, womit sie ihre Lebensfreude beeinträchtigen und sich seelisch eher ab- als aufbauen. Sie
verlieren ihren Optimismus, ihren Schwung und die Lust an kreativen Herausforderungen.
Beate ist eine Idealistin mit unrealistischen Vorstellungen darüber, wie viel Zeit und Energie ein Projekt wie das Anfertigen
eines neuen Marketingkonzepts braucht. Sie ist perfektionistisch und chronisch überlastet. Ihren Freunden erscheint sie geradezu
als Workaholic, denn ständig hetzt sie zu irgendwelchen Terminen. Die vielen Verpflichtungen bilden ein Bollwerk gegen Intimität
und Nähe. Ihre Ängste vor Versagen und Hilflosigkeit versucht sie durch unendliche Aufmerksamkeit für die kleinsten Details
zu bannen.
Helmut wandelt seine Gefühle von Unzuverlässigkeit und Unkontrollierbarkeit in Ärger und Wut auf andere und auf seine Arbeits-
und Lebenssituation um. Im Hintergrund lauert seine Entschlusslosigkeit, mit der er seit Jahren jede berufliche Veränderung
sabotiert: Er kann sich einfach nicht entscheiden, das Risiko eines Wechsels auf sich zu nehmen. Er erstickt an seinen Sorgen
und ist auch deswegen oft unleidlich und verärgert, weil er sich selbst nicht versteht und ablehnt.
Anja fühlt sich als Ehefrau und Mutter in der Falle von kleinbürgerlicher Langeweile und Routine gefangen. Sie träumt von
einem ganz anderen Leben, tut aber nichts dafür, weil sie die Konflikte fürchtet, die sie dann mit ihrem Mann austragen müsste.
Außerdem ist sie sich doch nicht so sicher, ob sie das Zeug hat, ihre Träume auch wirklich umzusetzen. Dem Test in der Wirklichkeit
kann sie ausweichen, indem sie sich hinter ihrem Mann versteckt, den sie für den Stillstand in ihrem Leben verantwortlich
macht. Das Risiko, Ängste und unbequeme Auseinandersetzungen auf sich nehmen zu müssen, scheut sie.
Die bisherigen Erfolge, die alle drei zu verzeichnen haben, spielen für sie keine Rolle mehr. Beate hat viele altruistische
Aktivitäten, ihr Studium und die zwei Jahre im Beruf trotz Perfektionismus gut bewältigt, doch das zählt nicht, weil sie auf
das vor ihr liegende Vorhaben fixiert ist. Gleiches gilt für Anja, die keinen Stolz darauf empfindet, die schwierige Situation
der Umstellung vom begehrten und umschwärmten Partygirl zur Ehefrau und zweifachen Mutter bewältigt zu haben, sondern ihren
idealisierten Träumen nachhängt.
Auch Helmut geht von strengen Idealvorstellungen aus, insbesondere der Idee, dass es gerecht zugehen und er völlige Sicherheit
haben |42| müsse, bevor er eine Entscheidung treffen kann. Dass Kollegen ihm einen beruflichen Aufstieg zutrauen, den er durch seine
provokative Strategie des Aufschiebens gefährdet, fällt ihm gar nicht auf. Mit anderen Worten: Gutes halten Aufschieber für
selbstverständlich und beachten es nicht weiter. Voll konzentriert darauf, wie es eigentlich sein müsste, verbergen sie hinter
dem Herauszögern übertrieben strenge Anforderungen an sich selbst, an andere Menschen und an das ganze Leben. Dies führt dazu,
dass sie sich zwangsläufig oft mit inneren Konflikten herumschlagen.
Konflikt heißt, dass Sie das Bedürfnis spüren, etwas tun zu wollen oder tun zu müssen, um bestimmte Ziele, die Sie haben,
zu erreichen – und gleichzeitig fühlen Sie ein Widerstreben dagegen. Sie erleben sich als festgefahren, bis der Konflikt sich
irgendwie löst. Im Fall des Aufschiebens geschieht das meistens ohne große Bewusstheit. Sie schlagen sich eine Zeit lang mit
Ihrem Vorhaben und einer spürbaren Unlust herum, dann folgen Sie einem ablenkenden Impuls, geben dem Widerstand nach und sind
für heute weg vom Fenster. Dabei gerät auch in den Hintergrund, dass Sie vielleicht gar nicht so richtig wussten, wie Sie
Ihr Vorhaben optimal planen und angehen konnten.
Wer viel aufschiebt weiß, wie man das Schwierigere zugunsten der unmittelbaren Entlastung von Spannungen vertagen kann. Er
weiß nicht, wie man geduldig, konzentriert und mit einer optimistischen Konzentration auf den Vorgang der Entscheidung oder
Erledigung des Vorhabens, also mit einer Prozessorientierung, vorgeht. Prozessorientierung heißt, mehr auf die Vorgänge des
Arbeitens selbst, auf die Tätigkeit der Aufgabenerledigung zu achten als auf die Ergebnisse. Doch auch dies kann erlernt werden.
Gründe für das Aufschieben
In den vorgestellten Beispielen sind bestimmte
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