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Schluss mit dem ewigen Aufschieben

Schluss mit dem ewigen Aufschieben

Titel: Schluss mit dem ewigen Aufschieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Werner Rückert
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Jahren wie eine demütigende Niederlage,
     als würde sie sich denen, die sie verrieten, unterwerfen.
     
    Anjas Probleme setzten sich im frühen Erwachsenenalter fort. Sie wusste nicht so recht, was sie lernen oder studieren wollte.
     Auch Helmut hatte keine eigenen ausgeprägten Ambitionen. Er wusste nur, dass er auf keinen Fall dem Beispiel seiner Geschwister
     folgen wollte. Die hatten beide studiert, und die Eltern wurden nicht müde, ihm das während seiner Schulzeit unter die Nase
     zu reiben.
    Unter solchen Verhältnissen breiten sich leicht falsche, illusionäre Einstellungen aus und man lernt nicht, realistische Erwartungen
     zu entwickeln. Keine spezifischen Interessen zu haben, steht in einem sehr engen Zusammenhang mit Aufschieben. Trifft man
     dann eine Entscheidung für einen Beruf oder ein Studienfach, das nicht zu einem passt, so ist die Motivation zu ungestörtem
     Arbeiten schnell unterlaufen.
    Das liegt bei uns in der Familie
    Es gibt Familien, in denen das Aufschieben Tradition hat und die Kinder es durch Identifikation übernehmen. In anderen haben
     Großeltern oder Eltern sich immer gemüht, aber ersehnte Ziele nicht erreicht. Wenn Sie aus einer solchen Familie kommen, lohnt
     es sich für Sie, genauer nach den Gründen zu fragen. Oft werden die wahren |157| Ursachen, die durchaus mit Aufschieben zu tun haben können, verleugnet. Stattdessen werden Schicksalsschläge oder feindselige
     Vorgesetzte erwähnt, die den angestrebten Aufstieg verhinderten. Für Sie kann sich aus den unerledigten Aufstiegsträumen der
     Ahnen der Auftrag ergeben, nun endlich Erfolg zu haben und die Familienehre wiederherzustellen. Aller Augen sind auf Sie gerichtet,
     Sie sind der Hoffnungsträger, der durch diesen Auftrag eng an die Familie gebunden bleibt und nun als »Delegierter« losgeschickt
     wird. Ihre Funktion als Hoffnungsträger ist vielleicht nur der krönende Abschluss einer Laufbahn, in der Sie zwar oft genug
     ausgenutzt wurden, indem Sie nicht Ihre Ziele, sondern die anderer verwirklichen sollten. Dadurch aber bekamen Sie eine privilegierte,
     bedeutungsvolle Funktion im Familiensystem. Andererseits ist es natürlich nicht so einfach, Vater, Mutter oder die Geschwister
     zu überflügeln.
    Meistens kommt der Konflikt zwischen Gefügigkeit und Auflehnung im späten Jugendalter zu einem neuen Höhepunkt, wenn die wichtigen
     Erfolge, die man von Ihnen erwartet, errungen werden sollen: beim Schulabschluss, bei der Berufswahl und beim Abschluss des
     Studiums. Eventuell können Sie Ihre eigene Autonomie und Individualität Ihrer Familie gegenüber zunächst nur durch Verweigerung
     ausdrücken, die sich als Aufschieben maskiert.
     
    Peter, einer meiner Patienten, zögerte den Studienabschluss hinaus, was angesichts seiner Studienleistungen und seiner Intelligenz
     unverständlich war. Zwar schlug sein Herz nicht in besonderem Maße für die Betriebswirtschaftslehre, aber seine Widerstände
     waren während der Studienzeit nie so groß gewesen, dass sie ihn am Vorankommen hätten hindern können. Warum also jetzt das
     Trödeln, die Konzentrationsstörungen, die Vergesslichkeit, die vielen körperlichen Tiefs, die ihn ins Bett zwangen?
    Es zeigte sich, dass Peters Vater, der in der Eifel ein Ferienhotel führte, gestorben war, als Peter 12 Jahre alt gewesen
     war. Für seine Mutter und die zwei jüngeren Schwestern schien seit dem Zeitpunkt klar zu sein, dass Peter seinem Vater als
     Hoteldirektor nachfolgen sollte. Sie führten das Unternehmen mit fremder Hilfe weiter, während Peter zum Studieren delegiert
     worden war. Er wurde von zu Hause finanziell großzügig unterstützt. Anfangs hatte er sich auch völlig mit der Vorstellung
     identifiziert, nach zügigem Studienverlauf Herr des Hotels zu werden und den Platz einzunehmen, den
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seine Familie für ihn vorgesehen hatte. Je näher jedoch der Studienabschluss rückte, desto klarer war ihm geworden, dass er
     in einer Großstadt und nicht auf dem Lande leben und für einen großen Konzern und nicht für ein kleines Privathotel arbeiten
     wollte. Außerdem hatte er begonnen, seine Homosexualität offen zu leben und stand damit auch für die Wünsche seiner Mutter,
     eine alte Schulfreundin aus der Kleinstadt zu heiraten und ihr bald Enkelkinder zu schenken, nicht mehr zur Verfügung.
    Peter erschien es so, als würde er mit dem Geständnis der Wahrheit den Lebenssinn seiner Mutter und Schwestern vernichten
     und ihre jahrelangen Hoffnungen auf

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