Schluss mit der Umerziehung!
Familienzeiten, mit Meetings am späten Nachmittag blockiert, ist ihnen den Verzicht auf mehr Geld im Austausch für mehr Familienzeit wert.
Wir wissen und akzeptieren, dass Familie, Liebe, der Kirchenchor, die Beschäftigung mit dem Hund, die Sprecherrolle im Elternbeirat nicht nur Kraft kosten, sondern vor allem zusätzliche Kraftquellen erschlieÃen. Balance braucht Zeit â was für junge Eltern anders aussieht als für Menschen mit erwachsenen Kindern und einer festen Partnerschaft. Balance und Rollenvielfalt sind auch die Grundlage für die emotionale Stabilität und Sicherheit, die Menschen heute mehr als früher brauchen â gerade wenn sie führen sollen. Sie verhelfen zu einem Selbstbewusstsein, das sich aus mehreren Quellen speist und die Person nicht abhängig von einer einzigen Energiezufuhr macht. Menschen mit mehreren Quellen führen ihrem Unternehmen auch mehr und andere Ideen und Kräfte zu als reduzierte »beschränkte« Personen. In den Prozessen und Instinkten einer Firma muss fest verankert sein, wer nur »arbeitet«, kann meist nicht wirklich gut denken, wird unkreativ, missgelaunt, macht Fehler, wird betriebsblind, auch dann, wenn kein Burn-out erfolgt. Leistungsträger sind nicht eindimensional.
Unternehmen, Parteien, Organisationen, die Frauen wirklich ansprechen, werden nicht nur andere Kommunikationsformen, Kooperationsstile, sondern zwingend auch neue, weniger Zeit verschwendende Arbeitsstile gerade auf Führungsebene entwickeln müssen. Zeit ist extrem kostbar und nicht nur teuer. Zeit ist etwas, was unverzichtbar ist für ein mehrdimensionales Leben in Verantwortung. Unternehmen, die Frauen entwickeln möchten, müssen lernen, Anerkennung nicht nur in Geld und Respekt, sondern auch in frei verfügbarer Zeit auszudrücken.
Ich selbst als Geschäftsführerin habe meine zeitlichen Investitionen in die Arbeitswelt immer begrenzt â ich hatte viele Jahre lang schwere Migräne und ein kompliziertes Familienleben. Obwohl ich als Gründerin und Geschäftsführerin der Firma viel Verantwortung hatte, war ich im Durchschnitt sicher selten mehr als 40 bis 45 Stunden pro Woche im Einsatz, eher weniger. Natürlich konnte und musste ich reisen. Aber selten war ich mehr als zwei Nächte in der Woche unterwegs. Ich habe immer viel delegiert, meine eigenen Einsatzbeschränkungen halfen mir, das zu tun. Es half, die Kolleginnen wachsen zu lassen â und manches blieb dabei leider liegen, obwohl es dringend hätte beachtet werden müssen.
Heute gilt: Je weiter unten eine Person angesiedelt ist, umso eher kann sie auf planbare Zeiten rechnen â je weiter oben, desto stärker ist die Zeitbelastung. Das war nicht immer so. Im Altertum galt Arbeit noch als etwas, was nur die Sklaven verrichten sollten und mussten. Eliten lebten in MuÃe. Noch im 20 . Jahrhundert waren die Arbeitszeiten von Leitungskräften deutlich niedriger als die von Arbeitern oder Bürokräften. Während die Gesellschaft sich politisch demokratisierte, während Frauen das Stimmrecht erlangten, kippte die Arbeitswelt in das Gegenteil. Top-Mitarbeiter bekamen viel Geld und bezahlten dafür mit einem extrem hohen Zeitinput. Macht und Herrschaft wurden in einem nie gekannten Ausmaà mit einem Zeitkorsett verknüpft â das nur für Männer als Einsiedler, für Männer als Familienernährer oder, zur Not, für Frauen ohne Kinder lebbar war. Die Demokratisierung von Unternehmen durch Teilhabe von Frauen wird letztlich auch das Zeitkorsett der männlichen Herrschaft aufschnüren. Sonst kann sie nicht gelingen. Ein Unternehmen wie das unsere ist ein kleines, noch unfertiges Ãbungsmodell in dieser Richtung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Männer im Frauenunternehmen
Seit der industriellen Revolution ist es keineswegs ungewöhnlich, dass Männer in Unternehmen tätig sind, in denen vorwiegend Frauen arbeiten: Als Leiter von Textilfabriken oder in der Chipproduktion, als Chefs von Callcentern und Behörden, Schulen, Krankenhäusern, Kaufhäusern sind sie es gewohnt, Vorgesetzte von mehrheitlich Frauen zu sein. Das ist geradezu der Normalfall. Aus Indien wird berichtet, dass Männer sich ausgesprochen wohlfühlen in dieser Rolle â sich aber nicht vorstellen können, jemals unter Frauen zu arbeiten. Auch in Europa sind die meisten Vorgesetzten von Frauen weiterhin Männer, wenn
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