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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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dachte ich und rannte dem
Bürschchen nach.
    Die Eingangstür des Gebäudes war in den vergangenen Sekunden
nicht bewegt worden. Trotzdem riss ich sie auf und trat auf den Vorplatz.
Nichts. Kein wehender Mantel, keine hastigen Schritte auf dem
Kopfsteinpflaster. Dafür etwas anderes: ein schwarzer Alfa Romeo, der auf dem
Behindertenparkplatz stand. Ich habe kein gutes Gedächtnis für Autos. Aber
schwarze Alfas, die mich in den Straßen Schlierbachs um Haaresbreite unter ihre
Spoiler nehmen, kann ich mir bestens merken.
    Blieb nur die Frage, ob ein Spoiler den Maximen der aktion
aesthetik entsprach. Das würde ich später klären.
    Ich kehrte ins Gebäude zurück und horchte. Wenn der Typ nicht
ins Freie geflüchtet war, musste er sich ins obere Stockwerk verdrückt haben.
Zwei Stufen auf einmal nehmend, hastete ich die Treppe empor. Genau wie unten
ein langer Gang, von dem viele Türen abzweigten. Irgendwo hier musste er sein.
Das Café am anderen Ende schied aus, es öffnete erst abends. Dann gab es eine
Küche, einen Lagerraum, Toiletten, ein Zimmer für die Verwaltung und Räume ohne
erkennbare Funktion. Langsam schritt ich die Türen ab. Lauschte. Probierte, ob
sie sich öffnen ließen.
    »Observatöööör«, hallte es aus der Ferne.
    In der Küche hörte ich jemanden singen. Ein Lied, das seinen Ursprung
jenseits des Äquators hatte und das hervorragend zum fröhlichen Brutzeln von
heißem Fett passte. Hier brauchte ich meinen Mann nicht zu suchen.
    Die Tür zur Verwaltung war verschlossen. Ebenso das Lager und
die beiden Nebenräume. Ich horchte an allen Schlüssellöchern, aber die
Performance im Erdgeschoss war zu dominant. Wenn der Typ sich hier oben
eingeschlossen hatte, bekam ich ihn nicht.
    Dann fiel mir der Zettel ein, den ich aufgesammelt hatte. Die
Kontaktdaten neben den Fotos der fünf! Einen Versuch war es allemal wert. Ich
zog den Wisch aus der Tasche, dazu mein wieder aufgeladenes Handy. Ich wählte
die Nummer des Benjamin und wartete.
    Nach drei Sekunden läutete im Männerklo ein Handy. Ein
unterdrückter Fluch, ein zweites Klingeln, dann Totenstille. Diebisch grinsend
steckte ich mein Telefon ein. Nie wieder würde ich auf den technischen
Fortschritt schimpfen!
    Ich betrat die Toilette, schloss die Tür hinter mir und
klemmte einen Mülleimer unter den Griff. Lieber ungestört bleiben. Es gab vier
Einzelkabinen, aber nur eine, die von innen versperrt war. Ich ging in die
Knie. Keine Schuhe zu sehen, keine heruntergelassenen Hosen. Also los! Ich nahm
Anlauf, setzte einen Fuß auf den Griff der verschlossenen Tür und schwang mich
nach oben.
    Die Kabine war leer.
    Die links außen dafür nicht. Ihre Tür wurde aufgerissen, und
ich sah meinen Freund mit dem Eierkopf um sein Leben rennen. Herunterspringen
und ihm nachlaufen war eins, aber ohne die Vorsichtsmaßnahme mit dem Mülleimer
wäre er mir entwischt. Ich packte ihn am Schlafittchen und zog ihn von der
verrammelten Tür weg. Und was tat der Typ? Holte mit rechts mächtig aus und
schleuderte mir ein schwarzes Ding entgegen. Das Ding war natürlich nichts
anderes als sein Handy, das ihn verraten hatte, und im Prinzip konnte ich
verstehen, dass er es loswerden wollte. Trotzdem missfiel mir die Aktion. Im
letzten Moment duckte ich mich, das Handy pfiff haarscharf an meinem Kopf
vorbei und bohrte sich in den Toilettenspiegel.
    »Tikka!«, schrie jemand aus der Tiefe des Erdgeschosses. Ein
Sturzbach von Handy- und Spiegelsplittern ergoss sich über Waschbecken und
Bodenkacheln.
    »Das reicht«, sagte ich. »Nun komm mal wieder runter von dem
Trip.«
    Seine Antwort war nicht jugendfrei. In keinerlei Hinsicht.
Erst warf er mir ein paar hässliche Schimpfwörter an den Kopf, dann hob er das
rechte Bein, um es mir in Karatemanier in den Unterleib zu rammen. Ich fing den
Tritt ab, indem ich zupackte und das Bein zur Seite riss. Das legte den
Karatemann flach. Im nächsten Moment war ich über ihm und drehte seinen Arm auf
den Rücken.
    »Schluss jetzt!«, schrie ich. »Ich will mit dir reden,
Kleiner.«
    Es dauerte noch ein
Weilchen, bis er handzahm wurde. Der Kerl wand und wehrte sich, fluchte und
zappelte, und solange er das tat, arbeitete sich sein Unterarm Zentimeter für
Zentimeter den Rücken hoch.
    »Ist ja gut«, keuchte er schließlich. »Mach halblang. Ich
kann nicht mehr.«
    »Dann lass ich dich jetzt los. Keine Mätzchen! Wir sind hier,
um uns zu unterhalten, verstanden?«
    Er nickte.

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