Schlussakt
bin, und das kannst du nicht ertragen. Du umgibst dich mit Klienten, denen du
in den Arsch kriechst, oder mit Freunden wie Nagel und Covet, die Verständnis
für deine schwierige Lage aufbringen. Freunde oder Bettgefährten, egal.
Hauptsache Verständnis. Von mir wirst du das nicht bekommen. Wofür denn? Ich
wäre auch gerne in einer Lage, in der man sich den Kopf darüber zerbricht, ob
man ein paar 1000 Euro für ein langweiliges Blumenbild oder afrikanische
Holzschnitzereien hinblättert. Oder investiert man lieber in einen
Vorzimmeradonis mit Knackarsch? Das sind Probleme, wie ich sie gerne hätte, und
deshalb bringe ich nicht so viel Verständnis für deine Lage auf. Und freikaufen
kannst du dich auch nicht. Verdammt, habe ich einen Durst.«
Letzteres sagte ich, weil mir die Stimme zu kippen drohte. So
einfach ließ sich der gestrige Abend nicht verdrängen. Zur Sicherheit hielt ich
mich an dem hölzernen Freund aus Afrika fest. Hoden wie Kokosbälle.
Auf meine Worte folgte Stille. Cordula Glaßbrenner saß mit
übereinandergeschlagenen Beinen da, die Hände im Schoß gefaltet. Meinem Vortrag
hatte sie amüsiert und mit lebhaftem Brauenspiel gelauscht. Aus Berechnung
natürlich, denn ihre Brauen waren ein Gedicht. Nagel starrte ins Nichts und
nagte versonnen an seiner Unterlippe.
»Wenn du Durst hast«, sagte die Rechtsanwältin schließlich,
»sollten wir uns was zu trinken kommen lassen, sobald du meinen Vorschlag akzeptiert
hast. Marc sagte mir, dass du ein Whiskykenner bist.«
Ich gab dem Kollegen vom schwarzen Kontinent einen
Schulterklaps, schließlich hatte er auch keinen leichten Job, und kehrte zu
meinem Sessel zurück.
»Im Übrigen reichen ein paar 1000 Euro für dieses Bild nicht
aus.« Sie zeigte hinter sich. »Mein Vater hat es kurz vor seinem Tod gekauft.
Es ist mehr wert als ein Haus im Pfaffengrund.«
»Schade, dass es falsch herum hängt.«
Für einen kurzen Moment meinte ich in ihrem Blick den Wunsch
gelesen zu haben sich umzudrehen. Natürlich beherrschte sie sich. »Mein
Vorschlag war: zwei Tagessätze«, sagte sie. »Einverstanden?«
»Drei Tage«, sagte ich.
»Zweieinhalb.«
»Drei.«
»Drei«, sagte sie und lächelte.
Ich warf Bernd Nagel einen Seitenblick zu. Er hob entschuldigend
die Schultern und schwieg.
»Keinen Scheck«, sagte ich. »Ich schreibe dir eine Rechnung,
Cordula. Irgendwann.«
»Wie du möchtest.«
»Außerdem sollten wir das mit dem Duzen lieber wieder lassen.
Und das mit dem Whisky auch.«
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
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Falls ich unter Halluzinationen litt, konnten
sie nicht vom gestrigen Gelage herrühren. Nach einem ausgiebigen Mittagsschlaf
fühlte ich mich erholt und tatendurstig. Aber der rotgesichtige Typ, der
vis-à-vis meines Hauses im Schatten einer Litfaßsäule stand, war derselbe, der
vor meinem Nickerchen dort gestanden hatte. Inzwischen musste er sämtliche
Veranstaltungsplakate auswendig kennen. Ich schickte ihm einen Kurzgruß mit
meiner Teufelsgesichthupe, als ich losradelte, doch er verzog keine Miene.
Und das war noch nicht alles. Während meiner gesamten Fahrt
zum Karlstorbahnhof verfolgte mich ein BMW im Schritttempo. Ich sah ihn zum
ersten Mal auf der Neckarbrücke, als ich an der Fußgängerampel hielt und er an
mir vorbeizog, in Richtung Fluss. Kaum hatte ich den Marstall erreicht, schloss
er auf und blieb in meinem Rücken, solange wir die Altstadt passierten. Immer
schön im 50-Meter-Abstand, sehr zum Ärger seiner Hintermänner. Es war ein
altmodischer BMW in stumpfem Braun, aber das gab ihm noch lange kein Recht, im
zweiten Gang durch Heidelberg zu schleichen und den Verkehr zu blockieren.
Entweder war da ein Rentnerpaar aus Fallingbostel auf Kaffeefahrt, oder die
Kollegen Greiner und Sorgwitz machten Ernst und ließen mich auf Schritt und
Tritt überwachen.
Als ich vorm Karlstorbahnhof vom Rad stieg, schlich der Wagen
weiter Richtung Schlierbach. Ein verbeultes Heidelberger Kennzeichen. Hinter
der Frontscheibe ein Pärchen mittleren Alters, die Frau am Steuer. Keine
Touristen also.
Ich fühlte mich fast ein wenig geschmeichelt. Hoffentlich hatten
die Kommissare ihre Beschatter vorgewarnt, dass Max Koller ganz heiß auf Kultur
war. Und zwar auf Kunst, die sexy sein wollte, auf radikale, antibürgerliche
Endzeitkultur. Denn nur große Kunst besteht auf Kleinschreibung.
Dass die aktion aesthetik ihre Geburtsstunde in einem
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