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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Ich gab seinen Arm frei und stand auf. Er blieb
auf dem Boden sitzen, finster vor sich hin starrend, seine Schulter massierend.
Weit entfernt hörte man seinen bebrillten Kumpel ins Mikro schnalzen.
    »Können wir?«, fragte ich.
    Der Junge nickte. Langsam erhob er sich. Ein Gichtgeplagter
hätte es nicht umständlicher hingekriegt. Wie er sich das Becken hielt und den
Oberkörper nach vorne beugte! Ich wollte ihm schon einen Physiotherapeuten
empfehlen, da beendete er das Schauspiel. Aus seiner gekrümmten Haltung schoss
er nach vorne, stieß mich zur Seite und hechtete zur Tür. Ich stürzte gegen das
Waschbecken. Unter mir knirschten Glassplitter. Ein echter
Überrumpelungsangriff!
    Aber da war immer noch der Mülleimer, der schräg unter dem
Türgriff klemmte. Mit einem einfachen Hieb ließ der sich nicht entfernen, und
bevor der Benjamin zum zweiten Mal zuschlug, umklammerte ich seinen
schmächtigen Oberkörper, dass es ihm beide Arme an den Leib presste. Er konnte
zappeln und zetern, so viel er wollte, ich trug ihn hinüber in eine der offenen
Kabinen, zwang ihn auf die Knie und drückte seinen Kopf in die Kloschüssel.
    »Wie wärs mit einer Seebestattung?«, brüllte ich ihm ins Ohr.
»Wir rufen deine Kumpel und machen ein Happening draus. Kunst muss wieder sexy
sein!«
    Seine Antwort: ein Angstgeheul, das dumpf durch die Schüssel
hallte.
    »Wie bitte? Ich verstehe dich so schlecht.«
    Immer noch nichts Brauchbares. Da hatte der Observatör des
Bebrillten mehr Charme gehabt. In Ermangelung einer freien Hand drehte ich mich
zu dem seitlich angebrachten Spülhebel und drückte ihn mit der Stirn hinunter.
Die Schleusen öffneten sich. Besonders nass wurde der geschorene Schädel meines
Opfers nicht, aber das Rauschen um ihn herum hatte etwas Bedrohliches.
    »Weißt du, warum ich das tue?«, rief ich, sobald der Wasserfall
versiegt war. »Damit du deine Aussage im Kommissariat mit frisch gewaschenen
Stoppeln machen kannst. Angekommen?«
    Seine Reaktion klang eher negativ. Also noch mal die Spülung.
Jetzt winselte der Junge nur noch. Ich zog seinen Kopf aus der Porzellanschüssel,
ohne den Klammergriff zu lockern.
    »Du hast die Wahl. Was ihr gestern in Schlierbach angestellt
habt, kannst du entweder mir erzählen oder der Polizei. Ist dir draußen ein
oller brauner BMW mit zwei Leuten drin aufgefallen? Die hat man eigentlich auf mich
angesetzt, aber wenn ich denen sage, dass hier jemand ein Geständnis ablegen
will, läuft denen das Wasser im Mund zusammen.«
    »Was für’n Geständnis?«, brachte er hervor. Mein Griff
schnürte ihm die Luft ab.
    »Ich habe euch gesehen. Ihr wart an Nagels Haus. Ihr habt
meinen Freund Marc Covet niedergeschlagen und bei der Flucht Nagels Foto
verloren. Das weiß ich alles, nur die Polizei weiß es noch nicht. Und jetzt
entscheide dich. Rede mit mir darüber, dann erfährt die Polizei nie etwas,
zumindest nicht von mir. Oder halt die Schnauze, dann wandern wir zwei
schnurstracks vors Haus und ich übergebe dich den Bullen. Was meinst du?«
    Er japste. Sein Atem ging schnell. Schneller als seine
Gedanken jedenfalls.
    »Einbruch«, half ich nach, »schwere Körperverletzung, vielleicht
Diebstahl – da kommt einiges zusammen, Kleiner. Ihr hattet eueren Spaß, jetzt
heißt es Farbe bekennen. Du willst doch die Performance heute Abend nicht
verpassen?«
    War dies das entscheidende Argument? Ich spürte, wie sein
Widerstand nachließ. Die Muskulatur erschlaffte, der Oberkörper knickte ein.
»Okay«, sagte er. »Wenn du eh alles weißt. Keine Polizei, bitte. Meine Eltern
…«
    Er brauchte den Satz nicht zu vollenden. Die Eltern würden
ihm das Taschengeld streichen. Kein Cerruti-Sakko mehr, keine englischen
Schuhe. Dann lieber vor einem schlechtgekleideten Privatflic strammstehen.
    »Keine Fluchtversuche?«
    Er schüttelte den Kopf. Ich ließ ihn los. Befreit atmete er
durch und wischte sich ein paar Tropfen aus dem Gesicht. Ich trat aus der
Kabine, schob die herumliegenden Plastikteile und Glassplitter mit dem Fuß
zusammen, wobei ich den Jungen im Spiegel beobachtete. Er schnäuzte sich
ausgiebig.
    »Also«, sagte ich und
lehnte mich mit dem Rücken an die immer noch verrammelte Tür. »Können wir?«
    Er nickte.
    »Und komm ja nicht auf den Gedanken, mir irgendwelche Märchen
aufzutischen. Dazu weiß ich zu viel. Bei drei Morden hört der Spaß auf.«
    »Drei?«
    »Drei Tote. Da draußen läuft ein Killer rum, verstehst du?
Und

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